Kompetenz in Kerntechnik – eine dauerhafte Stärke der deutschen Wirtschaft

Sowohl in der deutschen Öffentlichkeit als auch bei potentiellen Auftraggebern auf dem internationalen Markt ist die wechselvolle Geschichte der Kernenergie in Deutschland mit der nun abgeschlossenen Ausstiegspolitik aus der Stromerzeugung mit Kernenergie gut bekannt. Nicht selten wird – sofern keine langjährigen Geschäftsbeziehungen bestehen – „deutsch“ synonym gesetzt mit Kritik an Kernenergie und Ausstieg. Weit weniger bekannt ist, dass in Deutschland nicht nur in der Vergangenheit ein fast vollumfängliches Kompetenzportfolio bei Kernenergie und Kerntechnik aufgebaut wurde, sondern vor allem, dass von diesen Kompetenzen auch heute noch ein großer Teil vorhanden und in der industriellen Praxis sowie für die Forschung unmittelbar abrufbar ist.

Wo liegen nun die Kompetenzen der Branche in Deutschland. Hier ist es sinnvoll, erst einmal mit dem heute in Deutschland wichtigsten Tätigkeitsfeld zu beginnen, dem Rückbau kerntechnischer Anlagen. Damit wird zwar hinsichtlich des Lebenszyklus einer Anlage das Pferd von hinten aufgezäumt, aber aus unabweisbaren Gründen der Marktentwicklung und der Kundenbedürfnisse seitens der deutschen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) wurden beim Rückbau in den vergangenen Jahren Kompetenzen und Kapazitäten stark ausgebaut.

Aktuell befindet sich in Deutschland die erstaunliche Zahl von 27 Kernkraftwerken unterschiedlicher Typen und Größen im kerntechnischen Rückbau, in ganz unterschiedlichen Stadien des Rückbaufortschritts, bis hin zu einem nur noch formell aufrechterhaltenen Status als Rückbauanlage. Eine Anlage – der THTR in Hamm-Uentrop – befindet sich im sicheren Einschluss, der als gesetzliche Rückbauoption inzwischen nicht mehr existiert, fünf Anlagen sind abgeschaltet, aber noch nicht im Rückbau und drei Anlagen sind vollständig abgebaut worden.

Die industrielle Kompetenz liegt einerseits bei mehreren großen Projektpartnern der EVU, die mit größeren Gewerken beauftragt werden, die spezialisiertes Know-how erfordern. Hierzu gehören die Herstellerunternehmen Framatome und Westinghouse, der Behälter, Konditionierungs- und Abfallmanagementspezialist GNS Gesellschaft für Nuklearservice, die ein umfangreiches Rückbauportfolio aufgebaut hat, ein kerntechnisches Traditionsunternehmen in Deutschland wie die NUKEM Technologies, der breit aufgestellte Kraftwerks- und Anlagendienstleister Iqony (vormals STEAG), die aus den Energiewerken Nord und dem Rückbau des Kernkraftwerks Greifswald hervorgegangene Entsorgungswerk für Nuklearanlagen sowie Kraftanlagen Heidelberg Bouygues Construction. Diese Unternehmen können die Generalplanung für den gesamten Rückbau oder große Gewerke übernehmen, beherrschen das gesamte Portfolio von Zerlegungs- und Dekontaminationstechniken, verfügen über komplexe Anlagentechnik und Personal für herausfordernde Aufgaben wie die Zerlegung von Kerneinbauten und Reaktordruckbehältern und bieten Konditionierungs- und Abfallmanagementlösungen an. Auch die Begleitung von aufsichtlichen Prozessen und die Organisation des Strahlenschutzes werden angeboten. Framatome, Westinghouse sowie die Siempelkamp NIS, die auch eine Reihe weiterer Leistungen im Rückbau wie etwa detaillierte Aktivierungsanalysen anbietet, führen auch die Primärkreisdekontamination zur Vorbereitung des Rückbaus und zur Minimierung der radiologischen Belastung von Mitarbeitern durch. Im NIS-Technikum ist die Entwicklung und Erprobung maßgeschneiderter Rückbaulösungen zusammen mit den Kunden möglich. Das in sehr vielen kerntechnischen Aufgabenbereichen kompetente Unternehmen Bilfinger Noell bietet auch beim Rückbau ein umfangreiches Portfolio, u. a. ein komplettes Reststoffbearbeitungszentrum zur Errichtung in der Rückbauanlage.

Zerlegung der Kerneinbauten im KKW Unterweser Copyright: PreussenElektra

Zu diesen integrierenden Unternehmen treten zahlreiche spezialisierte Unternehmen, die Anlagen oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem kerntechnischen Rückbau anbieten. Dazu gehören der Strahlenschutzspezialist Safetec, der auch Beratungs- und Entsorgungsdienstleistungen und den Betrieb von Reststoffbearbeitungszentren anbietet, das Institut für Umwelttechnologien und Strahlenschutz (IUS), der Planungs- und Dokumentationsdienstleister u. a. für Rückbau und Strahlenschutz Dornier Group, der Anbieter von Dekontamination, Freigabe, radiologischer Charakterisierung und Strahlenschutzdienstleistungen Brenk Systemplanung, die auf kerntechnischen Rückbau spezialisierte Tochter des Industriedienstleisters ROBUR Industry Service Group, SAT Kerntechnik, die auf Wasseraufbereitung, Reinigungs- und Strahlarbeiten sowie Robotik spezialisierte RST. Die Orano bietet Konzepterstellung und Planung in den Bereichen Rückbau, Verpackung und Entsorgung sowie konkrete Rückbauarbeiten bei komplexen Aufgaben wie Komponentenzerlegung bei Kerneinbauten und RDB. Eine weitere für den Rückbau relevante Leistung sind Schwer- und Sondertransporte, die von der August Alborn sowie, mit einem umfassenden kerntechnischen Leistungsspektrum einschließlich Rückbauplanung und Strahlenschutz, von der Orano NCS angeboten werden.

Viele der genannten Unternehmen sind bereits im internationalen Rückbaumarkt tätig. Wenn die umfangreichen Auftragsumfänge in Deutschland in relevanten Teilen abgearbeitet sein werden, stehen die Rückbauunternehmen/Rückbausparten deutscher Unternehmen und Unternehmensstandorte in noch wesentlich größerem Umfang den EVU und Forschungseinrichtungen in anderen Ländern zur Unterstützung zur Verfügung und werden dabei auf das umfangreiche praktische Know-how aus dem hiesigen Rückbau zurückgreifen können. Durch den Verzicht der meisten Kernenergie nutzenden Staaten in Europa auf eine Ausstiegspolitik und breit angelegte Programme zur Laufzeitverlängerung, kann dieses Geschäftsfeld über einen recht langen Zeitraum bestehen.

In der Tablettenfertigung wird das Urandioxidpulver zu Tabletten verarbeitet. Die sog. Grünlinge werden zwei bis drei Stunden lang bei einer Temperatur von 1.780°C im Ofen gesintert. Nachfolgend werden sie hochpräzise auf ihren Zieldurchmesser geschliffen.

Copyright: ANF

Vom Ausstieg aus der Nutzung von Kernenergie zur Stromerzeugung nicht betroffen waren und sind die Unternehmen der Kernbrennstoffversorgung, des so genannten Front End. Das ist zum einen die Urenco Deutschland, der deutsche Teil des internationalen Anbieters von Urananreicherung Urenco Ltd., zum anderen die Advanced Nuclear Fuels, Tochter der Framatome, die Brennelemente für eine Vielzahl von Leichtwasserreaktoren herstellt und entwickelt sowie Anlagen und Verfahren zur Optimierung von Fertigung und Produktkontrolle im Bereich Brennelemente anbietet. Nach dem Beschluss zum beschleunigten Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Kernenergie hat die ANF auch Aufträge zum Um- und Auseinanderbau von noch nicht eingesetzten Brennelementen erhalten und das Geschäftsfeld der Entwicklung und des Baus von Fertigungstechnologien sowie die Produktion von Spezialprodukten wie Gadolinium- und Chrom-dotierte Brennstofftabletten ausgeweitet. Auch die Fertigung und Wartung von Transportbehältern für unbestrahlte Brennelemente kam zum Leistungsportfolio hinzu. Der Standort in Lingen hat eine Produktionskapazität von 650 Tonnen angereicherten Kernbrennstoffs, entsprechend einem Anteil von 18,3 Prozent an der europäischen Fertigungskapazität für Leichtwasserreaktor-Brennelemente. Zur ANF gehört auch eine Fertigung von Brennelement-Strukturteilen in Karlstein/Main.

Ein Druckwasser-Brennelement wird in Lingen ins sog. Unterflurlager gebracht. Copyright: ANF

Bei der Anreicherung hält der deutsche Standort der Urenco in Gronau mit einer Kapazität von 3.700 tSW/a einen Anteil von 17,5 Prozent der Urananreicherungskapazität in Europa bereit, die ebenso wie Kapazität in der Brennelementfertigung wegen des Bestrebens der westlichen Staaten sich von der russischen supply chain bei Kernbrennstoff unabhängig zu machen, aktuell stark gefragt ist. Im Zusammenhang vor allem mit der Urananreicherung ist auch das Technologieunternehmen ETC Deutschland, Teil der Enrichment Technology Company Limited, einem Joint Venture der Urenco Ltd. und der Orano Gruppe tätig. In der ETC ist das Know-how der seinerzeit federführend in Deutschland entwickelten Zentrifugentechnologie zur Anreicherung gebündelt. Zusätzlich bestehen noch Tochtergesellschaften zur Carbonfaserherstellung (Pronexos), der Stromspeicherung mit Zentrifugenkaskaden (Storenetic) und zur Speicherung von Wasserstoff (NPROXX), die alle als Ableitung der Urananreicherungstechnologie ausgegründet wurden.

Nach dem Abschluss des deutschen Kernkraftwerksbauprogramms 1989 bis zum Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Kernkraft bestand das Haupttätigkeitsfeld der kerntechnischen Branche in Deutschland wie in den meisten westlichen Staaten in der Begleitung des Anlagenbetriebs durch Service und Instandhaltung, wiederkehrende Prüfungen und Sicherheitsanalysen, sicherheitstechnische Nachrüstungen und anderweitige Modernisierungen, der Umsetzung von Leistungssteigerungen sowie schon länger vor allem im Auslandsgeschäft aus Alterungsmanagement und der Ermöglichung sicherer Laufzeitverlängerungen.

Engspaltschweißen am Framatome-Standort Erlangen, hier für die Montage eines neuen Dampferzeugers zur Modernisierung eines in Betrieb befindlichen Reaktors. Copyright: Framatome GmbH

Das Portfolio dieser Leistungen in Deutschland besteht nach wie vor und liegt bei der Framatome, der Bilfinger Noell, der Westinghouse und der Kraftanlagen Heidelberg. Solche Leistungen umfassen den Anlagenservice im Verlauf des Lebenszyklus, Inspektion-, Wartung und Instandhaltung, Revisionsarbeiten und Betriebsunterstützung, Planung und Aufbau von Servicestrukturen inkl. Servicedokumentation, die Bereitstellung von hochqualifiziertem Servicepersonal, Engineering Support und Technische Sachbearbeitung, Ersatz- und Verschleißteilmanagement, Alterungsmanagement und Optimierung, Umbau und Erweiterung. In diesen Bereich gehören auch sicherheitstechnische Nachrüstungen wie gefilterte Druckentlastungssysteme oder bei Systemen zur Nachwärmeabfuhr und Notstromversorgung, Modernisierung der Anlagen wie etwa Digitalisierung der Leittechnik und Lösungen für Leistungssteigerungen. Zum Portfolio gehören auch Sicherheitsanalysen sowie Prüfungen aller Art an Systemen und Komponenten. Bei der Framatome besteht zudem die Möglichkeit von umfassenden radiochemischen und Materialanalysen sowie zur Nutzung von thermohydraulischen Testanlagen für Komponentenqualifizierung sowie Design- und Codevalidierung. Damit verbunden ist auch ein erheblicher Umfang an industrieller (Sicherheits-)Forschung. Die Westinghouse bietet auch Sicherungslösungen für kerntechnische Einrichtungen an, die Kraftanlagen Heidelberg einen umfassenden Rohrleistungsservice.

Großarmaturen-Teststand am Framatome-Standort Karlstein, kurz „GAP“. Es handelt sich um den größten Armaturenprüfstand der Welt, der bereits seit über 40 Jahren zur Qualifizierung von Großarmaturen, z.B. Frischdampf-Abschlussventilen, eingesetzt wird. Copyright: Framatome GmbH

Weitere Unternehmen, die Leistungen in diesem Bereich anbieten, sind auf einzelne Tätigkeitsfelder spezialisiert, wie die Bilfinger Engineering & Technologies auf Rohrleistungsbau oder bieten eine Palette relevanter Leistungen an, wie die Siempelkamp NIS mit einem Mess‐ und Labordatenmanagement- und ‐berichtssystem, dem Brennelemente Auskunfts- und Berichtssystem, nuklearphysikalischen Dienstleistungen und Brennelementeinsatzplanung in DWR und BWR, Kritikalitätsnachweise und Abschirmberechnungen. Die NUKEM Technologies bietet eine umfangreiche Palette an Engineering-Dienstleistungen bzw. komplette Planungs- und Ausführungspakete für Kernkraftwerke, Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufes sowie andere kerntechnischen Einrichtungen auf den Feldern Sicherheitstechnik, Sicherheit und Genehmigungen, Strahlenschutz, Instrumentierung und Emissionsüberwachung. Kerntechnische Engineering- und Servicedienstleistungen, IT-Dienstleistungen sowie Planung, Fertigung und Lieferung von Inspektions-, Handhabungs- und Messeinrichtungen. Reinigungsmaschinen und Greifersysteme bietet die Höfer & Bechtel, die auch im Rückbau tätig ist.

Über in Deutschland vertretene Hersteller von Kernkraftwerken und Unternehmen mit einer breiten Palette kerntechnischer Leistungen hinaus gibt es – auch außerhalb des Rückbaus – eine Reihe spezialisierter Zulieferer und Komponentenhersteller. Dazu gehört etwa der weltweit aktive Pumpenhersteller KSB, in dessen Produktpalette sich auch ein komplettes Angebot an Pumpen und Ventilen für Anwendungen in der Kernkraft findet bis hin zu mehreren Modellen von Hauptkühlmittelpumpen für Druckwasserreaktoren auch in wellendichtungsloser Bauweise mit Naßläufermotor oder reaktorinterne Pumpen für Siedewasserreaktoren. Der Großwärmepumpen- und Flüssigkeitskühlerhersteller Friotherm produziert und installiert weltweit Flüssigkeitskühler für Kernkraftwerke. Die ENGIE Deutschland liefert technische Gebäudeausrüstung für Kernkraftwerke in den Bereichen Lüftungstechnik, Elektrotechnik, Brandschutztechnik und Sprinkleranlagen, Heiztechnik, industrielle Sanitärtechnik, Gebäudeautomation (Mess- und Regeltechnik), Verfahrenstechnik zur Wasser und Druckluft Ver- und Entsorgung sowie Kältetechnik. Die KROHNE Nuclear als Geschäftsbereich der KROHNE Messtechnik bietet für eine Vielzahl kerntechnischer Anwendungen Durchfluss- und Füllstandsmesstechnik nach diversitären Verfahren an. Die Schminke Krantechnik stellt u. a. Sonderkrane nach KTA her, ebenso wie die Iqony. Deren Tochter Krantz wiederum ist auf Luftführungs- Heiz- und Kühlsysteme spezialisiert, darunter zur Lüftung nuklearer Anlagen. Und die Siempelkamp NIS ist auch als Komponentenhersteller tätig mit Schraubendrehgeräten, Reinigungsmaschinen und Hydraulikeinheiten, am bekanntesten aber mit den Schraubenspannsystemen für Reaktordruckbehälterdeckel von Druck- und Siedewasserreaktoren sowie für Dampferzeuger.

Schraubenspannmaschine für EPR™ Flamanville 3 Copyright: Siempelkamp NIS

Viele der genannten Leistungen für bestehende Kernkraftwerke sowie die Zulieferung von Komponenten sind auch für den Neubau relevant. In der Tat ist in Deutschland auch heute noch ein beträchtlicher Teil des für den Neubau, die Inbetriebsetzung und die Brennstoffversorgung von Kernkraftwerken erforderlichen Know-hows vorhanden. Mit zwei bedeutenden internationalen Kernkraftwerksherstellern, die Standorte in Deutschland unterhalten, Framatome und Westinghouse, weiteren im Neubau aktiven Unternehmen wie Bilfinger Noell und Kraftanlagen Heidelberg sowie einer umfangreichen supply chain von Komponenten- und Anlagenherstellern waren und sind deutsche Unternehmensstandorte bzw. Unternehmen an internationalen Neubauprojekten beteiligt. Dazu gehören die EPR-Projekte Olkiluoto (FIN), Flamanville (F), Taishan (CN) und Hinkley Point (GB) ebenso wie die VVER-Projekte in Paks (H), Akkuyu (TR) und El-Daaba (Ägypten). Auch die AP 1000-Projekte Sanmen und Haiyang (CN), sowie Vogtle (US) sind mit deutscher Beteiligung umgesetzt worden. Desweiteren wird eine Vor-Konvoi-Anlage von Siemens/KWU noch am Standort Angra dos Reis in Brasilien fertig gestellt. Am Neubauprojekt Barakah (Vereinigte Arabische Emirate) der süd-koreanischen KEPCO sind ebenfalls deutsche Unternehmen beteiligt.

Ein Geschäftsschwerpunkt der Framatome ist dabei die Steuer- und Leittechnik, die in einem komplexen System die Komponenten und Systeme des Kraftwerks im Einklang mit regulatorischen und Betreiberanforderungen miteinander verknüpft und den sicheren Betrieb der Anlage erst möglich macht. Darüber hinaus bestehen auch die erforderlichen Kompetenzen beim Design von Kernkraftwerken, der Auslegung und Installation nuklearer Dampferzeugersysteme, der Entwicklung und Fertigung von Brennelementen und dazugehöriger Komponenten sowie in der Inbetriebsetzung. Das Kompetenzfeld erstreckt sich dabei auf Gebiete wie Werkstofftechnik, Mechanik, Neutronenphysik, wissenschaftliche Berechnungen, Strömungsmechanik sowie Risiko- und Sicherheitsanalysen. Zum Portfolio gehören auch Design und Installation elektrischer Systeme und der Notstromversorgung, des Containments und von Belüftungssystemen. Diese Neubauleistungen und vergleichbare Angebote im Zusammenhang mit Modernisierung, Instandhaltung etc. sind entsprechend der gesonderten Anforderungen auch für Forschungsreaktoren unterschiedlicher Typen verfügbar.

Prüffeld für Sicherheitsleittechnik-Schränke am Framatome-Standort Erlangen. Copyright: Framatome GmbH

Bei der Westinghouse Electric Germany liegt der Schwerpunkt der neubauorientierten Tätigkeit beim Engineering, wie bspw. der allgemeinen Anlagenplanung. Spezielle Kompetenzen sind in Deutschland insbesondere in der Leittechnik und der Abfallbehandlung vorhanden. Hier ist deutsches Know-How in den Aufbau der SRTF (Site Radwaste Treatment Facilities) der chinesischen AP1000 Anlagen geflossen. Erwähnenswert ist, dass die polnische Regierung für ihre zukünftigen Neubauprojekte die AP1000-Technologie ausgewählt hat. Die ersten AP1000 Anlagen in Europa werden auch deutschen Firmen die Möglichkeit bieten, sich an diesen Projekten zu beteiligen.

RUV – Reaktorhauptkühlmittelpumpe für Druckwasserreaktoren der neuesten Generation eingebaut im Leistungsprüfstand Copyright: KSB

Die Bilfinger Noell liefert zahlreiche Komponenten für Kernkraftwerke wie Containment-Liner, Sicherheitshüllen, Personen- und Materialschleusen, Edelstahlauskleidungen für Becken, Kompaktlagergestelle für radioaktive Materialien, Systemkomponenten für Sicherheitssysteme und für den Reaktorbetrieb, Filterwechselmaschinen und Abfallbehandlungseinrichtungen. Darüber hinaus bietet Bilfinger Noell auch Konstruktionsdienstleistungen und statische und dynamische Berechnungen unterschiedlicher Art und Aufgabenstellung in Übereinstimmung mit den Anforderungen unterschiedlicher kerntechnischer Regelwerke an. Beispielhaft für ein komplexes Leistungspaket sei die Lieferung und Installation des Core Melt Stabilisation System (CMSS) für EPR™-Anlagen genannt. Die zentrale Komponente dieses Systems, der Core Catcher wird von der Siempelkamp NIS geliefert. Die auf Hochdruckrohrleitungen spezialisierte Bilfinger Engineering & Technologies ist natürlich ebenfalls an Neubauten beteiligt.

Installation von Rohrleitungen Copyright: Kraftanlagen Heidelberg

Die Kraftanlagen Heidelberg bietet einerseits eine umfangreiche Palette von Ingenieurdienstleistungen von der Planung und Auslegung von Systemen und Komponenten in kerntechnischen Anlagen über die Expertise in technischen Festigkeitsproblemen und Strömungsanalysen bis hin zu Gesamtkonzepten, Aufstellungsplanungen einschließlich Gebäudelayouts für Abfallbehandlung, zu Montage, Service und Rohrleitungsbau. Zum anderen werden verfahrens- und maschinentechnische Systeme sowie hochwertiger Rohrleitungssysteme in Kernkraftwerken, kerntechnischen Anlagen und Forschungseinrichtungen und Fernhantierungstechnik geplant, geliefert, montiert und in Betrieb genommen.

Schweißarbeiten am Framatome-Standort Karlstein für die Kerninstrumentierung des EPR-Reaktors. Copyright: Framatome GmbH

Darüber hinaus lassen sich die Produkte, Lösungen und die Fachkompetenz der oben genannten Hersteller von Systemen und Komponenten für Kernkraftwerke auch auf neue Projekte anwenden. Das gilt sowohl mit Blick auf bewährte Technik als auch auf maßgeschneiderte Lösungen und neue Entwicklungen. Exemplarisch sei hier der Pumpen- und Ventilhersteller KSB genannt, der entsprechende Komponenten auch für Reaktoren der vierten Generation entwickelt, die mit flüssigem Blei oder flüssigem Salz betrieben werden sollen.

Nach einer Phase in der sich die kerntechnische Wirtschaft in Deutschland sehr stark auf den Rückbau der hiesigen Kraftwerke ausgerichtet hat, tritt nun durch den absehbaren Aufschwung der Kernenergie auch in Europa nach Jahrzehnten wieder der Neubau von Anlagen als maßgebliche Aufgabe und wesentliches Geschäftsfeld in den Vordergrund. Dieser Aufschwung wird entscheidend von den klimapolitischen Ambitionen bestimmt, denen sich die EU und die meisten ihrer Mitgliedstaaten verschrieben haben. In Deutschland beschreitet man einen Weg zum weitgehenden Verzicht auf fossile Energieträger ohne Kernenergie, bei vielen unserer Nachbarn ist sie integraler Bestandteil der Klima- und Energiestrategie. Die hiesige kerntechnische Wirtschaft ist trotz der jahrzehntelangen und nunmehr abgeschlossenen Ausstiegspolitik nach wie vor in hohem Maße dazu in der Lage, die Klimapolitik unserer Nachbarn im Bereich der Kernkraft zu unterstützen und dabei ein aussichtsreiches Geschäftsfeld zu bedienen.

Es wäre an der Zeit, dass die Bundesregierung die Schützengräben der Vergangenheit verlässt, den Wert der Kernenergie für die Klimapolitik anderer Staaten anerkennt sowie dementsprechend auch Exportbestimmungen und Exportförderung so handhabt bzw. ändert, dass sowohl die hiesige Branche als auch die auf Emissionsreduktion gerichteten Bestrebungen der anderen Staaten unterstützt werden. Die aktuell geplante Einführung einer klimapolitischen Sektorleitlinie für die Exportförderung wäre dafür ein geeigneter Moment und die Taxonomieverordnung der EU, von der man lediglich nicht abweichen müsste, sowie der auf die Kernenergie bezogene Annex II des Climate Change Sector Understanding der OECD bieten dafür geeignete Rahmenbedingungen.

Ein weiteres kerntechnisches Aufgabenfeld in Deutschland neben dem Rückbau ist der gesamte Bereich des Abfallmanagements und der Entsorgung von Konditionierung über Zwischenlagerung bis zur Endlagerung. Während allerdings der Rückbau bis etwa 2040 abgeschlossen sein soll, ist die Dauer von Zwischenlagerung und Entsorgung deutlich länger anzusetzen. Im Fall der hochradioaktiven Abfälle ist nach neueren Analysen sogar mit Zeiträumen bis weit ins nächste Jahrhundert zu rechnen, die erheblich jenseits üblicher unternehmerischer Planungshorizonte liegen. Im Zuge der Neuordnung der Verantwortlichkeiten bei der Entsorgung wurden zwei staatliche Unternehmen im Besitz des Bundes gegründet, die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) und die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH, deren Zuständigkeiten sich in ihren Namen spiegeln. Mit der Verantwortung für die meisten Zwischen- und Abfalllager und die Errichtung eines Logistikzentrums für das Endlager Konrad bzw. für die Errichtung und den späteren Betrieb des Endlagers Konrad, den Verschluss des Endlagers Morsleben, die Sanierung der Asse sowie die Standortauswahl für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle und bestrahlte Brennelemente sind diese beiden Unternehmen die dominanten Akteure in diesem Bereich. Zur BGE gehört auch die BGE Technology, die Endlagertechnologie auch in internationalen Kooperationsprojekten entwickelt. Alle drei Unternehmen betreiben in ihrem Zuständigkeitsbereich auch Forschung.

Eine besondere Herausforderung im Entsorgungsbereich ist wegen des langen Zeithorizonts zweifellos die Aufrechterhaltung und fachliche Erweiterung der Kompetenzen, die zur Erfüllung der Entsorgungsaufgabe notwendig sind in einem Land, dass sich von der Nutzung der Kernkraft verabschiedet hat.

Betriebsstätte Mülheim innen – CASTOR©-Fertigung Copyright: GNS
An dieser Stelle gibt es aber eine gute Nachricht: die Aufgaben der beiden Bundesgesellschaften stellen nur die Endpunkte der jeweiligen Tätigkeitsfelder dar. Diesen gehen seit Jahrzehnten Abfallmanagement, Abfallbehandlung, Konditionierung, Verpackung und Behälterherstellung sowie Konzeptentwicklung für Zwischenlager und die Entwicklung von Behälterkonzepten für Endlager voran. Für diese Themen stehen in Deutschland eine ganze Palette von Unternehmen zur Verfügung. So stellt die GNS Gesellschaft für Nuklearservice, die ehemals auch Zwischenlager betrieben hat und aus der heraus die BGZ ursprünglich gegründet, nicht nur alle Arten von Behältern für schwach- und mittelaktive Abfälle sowie für bestrahlte Brennelemente und hochradioaktive Abfälle her, vom einfachen Stahlblechcontainer über den hochabschirmenden MOSAIK©-Behälter bis hin zu den bekannten CASTOR©-Behältern für unterschiedliche Inventare. Abfallbehälter und Zubehör wird auch von der GNS-Tochter Eisenwerk Bassum zugeliefert. Weiterhin bietet GNS verschiedene Anlagen zur Konditionierung von schwach- und mittelaktiven Abfällen, von schwachaktiven trockenen festen Abfällen bis hin zu erheblich aktivierten Reaktoreinbauten zur Installation und zum zeitweiligen Einsatz in Konditionierungskampagnen an und führt Beladungskampagnen für bestrahlte Brennelemente in Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren durch. Es können auch Transporte mit allen damit verbundenen Dienstleistungen insbesondere bei Planung und Genehmigung übernommen werden und auch für Zwischenlager werden Planung, Genehmigung sowie das Projektmanagement für Bau und Betrieb, Sicherheitsanalysen und Strahlenschutzplanung, Behälter und Equipment angeboten. Dabei wird GNS von der Tochter WTI Wissenschaftlich-Technische Ingenieurberatung unterstützt.
CASTOR©-Unterwasserbeladung Copyright: GNS

Ein großer Anbieter von Abfallbehandlungsanlagen für radioaktive Abfälle, aber auch andere Sonderabfälle einschließlich natürlicher radioaktiver Stoffe ist die NUKEM Technologies. Neben Konzepten, Machbarkeitsstudien und Planungsleistungen können auch Anlagen bis hin zu kompletten Abfallbehandlungszentren errichtet werden. Auch Konzeption und Planungsleistungen für Zwischen- und Endlager können erbracht werden. Die Bilfinger Noell bietet ein umfängliches Angebot an Abfallbehandlungs- und Abfallkonditionierunsanlagen an, das Probenahme, Sortierung, Zerlegung, Zementierung, Entdeckelungsvorrichtungen, Doppeldeckelschleusen, Manipulatoren, Dekontaminationsanlagen, Hochdruckpressen, Wasserreinigung und Schutzeinhausungen umfasst.

Ein umfangreiches Portfolio von Leistungen für die Planung und Errichtung von Anlagen zur Konditionierung und Lagerung radioaktiver Abfälle und bestrahlter Brennelemente bietet die Iqony an, Nachfolgeunternehmen der STEAG, die einen Teil der dezentralen Zwischenlager an den Standorten der Kernkraftwerke geplant und errichtet hat. Die WTI war mit den übrigen Standortzwischenlagern beauftragt. Kraftanlagen Heidelberg bietet Abfallbehandlung, Belade- und Verpackungskampagnen und verfügt darüber hinaus über ein in Deutschland einzigartiges Know-how für Verglasungseinrichtungen für flüssige hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung, bei der das Unternehmen mit dem Institut für Nukleare Entsorgung des KIT zusammenarbeitet. Diese Technologie ist in Deutschland nie zur kommerziellen Anwendung gekommen und wird seit Abschluss der Arbeit der Verglasungseinrichtung Karlsruhe hierzulande nicht mehr genutzt. Sie ist insoweit ein gutes Beispiel für industriellen Kompetenzerhalt ohne Heimatmarkt, eine Situation, die sukzessive für weite Teil der Branche und ihre Fertigkeiten charakteristisch sein wird.

Hochdruckhydraulikpresse FAKIR Copyright: GNS
Entsorgungsplanung – etwa für Verpackungskampagnen – Verpackungsplanung und Endlagerdokumentation für Betriebs- und Rückbauabfälle werden von der Dornier Group offeriert. Die Brenk Systemplanung bietet umfangreiche Leistungen im Abfallmanagement wie Planung von Zerlegung und Verpackung radioaktiver Abfälle, Auslegung von Verpackungen bzgl. Konrad-Annahmebedingungen, Sortierung und Umpackung radioaktiver Abfälle aus bestehenden Gebinden, Konzepte für die Abfallbehandlung und Planung von Abfallbehandlungseinrichtungen sowie Sicherheitsbewertungen für die (Langzeit-)Zwischenlagerung an. Brenk ist auch Dienstleister im Bereich Endlagerung für Planung und Genehmigung, Betrieb, Stilllegung sowie Langzeitsicherheit und deckt dabei den gesamten Lebenszyklus eines Endlagers von der Standortauswahl bis zur Stilllegung einschließlich einer denkbaren Rückholung von Abfällen ab. Die SAT Kerntechnik bietet Abfallbehandlungsanlagen und Entsorgungsplanung an. Die Orano bietet Konditionierungs- und Entsorgungskonzepte sowie Konditionierungsleistungen im Zusammenhang mit dem Rückbau an und die Siempelkamp NIS führt im Rahmen eines Brennelemententsorgungsmanagement alle Planungs-, Analyse- und Bewertungsleistungen im Zusammenhang mit der Brennelemententsorgung aus und bietet auch für schwach- und mittelaktive Abfälle Produkte für Konditionierung und Verpackung an, bis hin zu Heißen Zellen.

Außerhalb der Stromerzeugung in Kernkraftwerken gibt es eine Vielfalt von Anwendungen der Kerntechnik in Medizin, Industrie, Forschung und Entwicklung sowie Landwirtschaft. Bei zahlreichen Anwendungen in diesen Bereichen, in medizinischer Diagnose und Therapie, in der zerstörungsfreien Werkstoff- und Komponentenprüfung, bei Füllstands- und Durchflussmesssystemen, bei der Verbesserung von Materialeigenschaften, in der Sterilisation von Medizinprodukten, Lebensmitteln und Blutkonserven, in der Pflanzenzüchtung und Schädlingsbekämpfung werden Radioisotope als Strahlungsquellen verwendet. Die international tätige Eckert & Ziegler Strahlen- und Medizintechnik bietet sowohl medizinische als auch Isotopenprodukte in einer großen Bandbreite an. Dazu gehören umschlossene Strahlenquellen für die Brachytherapie, verschiedene Radiopharmazeutika, Geräte zu deren Herstellung, Gallium-68 Generatoren, Radiotherapiezubehör und Röntgenstrahlungstherapiegeräte. Eckert & Ziegler stellt auch Anlagentechnik (Heiße Zellen) und Geräte zur Sterilisation von Blut, Blutplasma, Knochenmark usw. her und bietet eine umfängliche Palette an Radioisotopen als umschlossene Strahlenquellen in unterschiedlichen Stärken für zahlreiche Anwendungen.

Produktionsanlage zur Herstellung von schwach radioaktiven Implantaten bei Prostatakrebs Copyright: Eckert & Ziegler Strahlen- und Medizintechnik

Ein Lieferant Heißer Zellen für Forschung und Industrie ist auch Kraftanlagen Heidelberg, die darüber hinaus in der Fusionstechnologie engagiert sind. Für die in Bau befindliche Fusionsforschungsanlage ITER wird ein Tritium-Handhabungssystem und das ITER WDS (Water Detritiation System) federführend entwickelt. Auch werden Konzept- und Detailplanung zum ADS (Atmosphere Detritiation System) und für die dazugehörigen Heißen Zellen am ITER ausgeführt, darüber hinaus konzeptionelle Designstudien für die Kraftstoffkreislaufarchitektur des Tokamak-Demonstrationskraftwerks DEMO als Nachfolger des ITER erstellt. Für DEMO werden darüber hinaus Machbarkeitsstudien für die Balance of Plant sowie vor allem die Entwicklung eines Konzepts für ein Power Conversion System ausgeführt, eine der großen und für die Nutzung der Fusionstechnik entscheidenden ingenieurwissenschaftlichen und industriellen Herausforderungen. Auch für das CERN werden Planungsleistungen erbracht, etwa für den Large Hadron Collider (LHC) selbst, das Hauptexperimentiergerät, und für das dort befindliche ATLAS-Experiment.

Die Bilfinger Noell GmbH ist ebenfalls Lieferant für europäische Großforschungseinrichtungen, so von Manipulatorträgersystemen für den Joint European Torus (JET) eine führende Einrichtung für Fusionsexperimente und eines Transportsystems für den LHC des CERN. Besondere Expertise besteht bei Supraleitenden Magnetsystemen sowie den dazu gehörigen kryogenen Hilfssystemen, die für eine Reihe internationaler Forschungseinrichtungen und die Fusionsexperimente JT-60 und ITER bereitgestellt wurden. Für JET wurden Analysen der Magnetsysteme erstellt, für DEMO wird ein System entwickelt und auch an den Magnetspulen für Wendelstein 7-X war Bilfinger Noell beteiligt, so dass nun eine Zusammenarbeit mit den Stellarator-Start-up Proxima Fusion begonnen werden konnte.

Nichtplanare supraleitende Modulfeldspulen für W7-X Copyright: Bilfinger Noell
Einige wesentliche Anwendungen der Kerntechnik finden am führenden deutschen Forschungsreaktor, dem FRM II der TU München bzw. am Heinz Maier-Leibnitz-Zentrum (MLZ) statt. Unter Nutzung der Möglichkeiten einer der leistungsstärksten Neutronenquellen der Welt werden dort der Forschung in unterschiedlichen Disziplinen wie Archäologie, Kunstgeschichte, Biologie, Biophysik, Biochemie, Chemie, Festkörperphysik, Materialwissenschaften, Medizin Leistungen zur Verfügung gestellt, darunter bildgebende Verfahren, Struktur- und Nanostrukturanalyse, Spektroskopie, Elementanalyse und Positronen. Für industrielle Anwender werden diese Leistungen für zerstörungsfreie Prüfungen und Materialentwicklung angeboten. Darüber hinaus werden Bestrahlungstests durchgeführt, Isotope hergestellt und Radiotherapie ermöglicht. Für die industrielle Fertigung wird die Bestrahlung von Silizium mit Neutronen (Dotierung) zur Verbesserung der Materialeigenschaften angeboten.
Silizium-Einkristall zur Bestrahlung in der Siliziumdotierungsanlage an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universitaet Muenchen (TUM) Coypright: Bernhard Ludewig / FRM II, TUM

Praktisch alle der genannten Unternehmen haben Kraft Sachzusammenhang mit ihrer Tätigkeit in der Kerntechnik und aufgrund der regulatorischen Anforderungen Kompetenz im Strahlenschutz. Einige haben aber Strahlenschutzdienstleistungen als eines ihrer Geschäftsfelder im Bereich Kerntechnik/Kernenergie. Dazu gehören NUKEM Technologies, Kraftanlagen Heidelberg, Siempelkamp NIS, Safetec, Brenk Systemplanung, Höfer & Bechtel, iUS, Dornier Group, SAT Kerntechnik und Orano NCS. Diese Dienstleistungen werden nicht nur im Zusammenhang mit der Kernenergie, der Zwischen- und Endlagerung benötigt, sondern auch in der Nuklearmedizin und in allen Anwendungen von ionisierender Strahlung bzw. im Zusammenhang mit NORM-Materialien und der Umweltüberwachung sowie künftig auch im Bereich der Kernfusion. Es ist also tatsächlich eine sehr universelle Daueraufgabe.

Für die Sicherung und Weiterentwicklung der Kompetenz in allen Aufgaben und Themen der Kerntechnik sowie für die Ausbildung hoch qualifizierten Personals zur Deckung des Bedarfs an Fachkräften und die technisch-wissenschaftliche Weiterentwicklung des Sektors sind die Einrichtungen von Forschung und Lehre der Kerntechnik in Deutschland dauerhaft unverzichtbar. Obgleich in den vergangenen Jahren etwas reduziert, besteht nach wie vor eine beachtliche Substanz und noch ausreichend „kritische Masse“ in der hiesigen kerntechnischen Forschungslandschaft, um genügend Absolventen hervorzubringen und in internationalen Forschungsprojekten und -programmen mitzuwirken. Erfreulich ist, dass in jüngster Zeit die Studierendenzahlen wieder steigen. Exemplarisch seien hier einige Einrichtungen genannt.

Technische Universität München

An der Technischen Universität München wurde um den Lehrstuhl für Nukleartechnik mit den Forschungsschwerpunkten Reaktorsicherheitsforschung, experimentelle Thermohydraulik, Strahlenanwendungen in der Medizin und Kernreaktor- und Kernbrennstoffdesigns der Zukunft sowie den Forschungsreaktorbetrieb des FRM II und die Radiochemie München das TUM Center for Nuclear Safety and Innovation gegründet, das die Sichtbarkeit dieser Kompetenzen und der Infrastruktur erhöhen, die internationale Reputation Deutschlands in kerntechnischen Fragen bewahren und Erhalt und Weiterentwicklung des kerntechnischem Know-how sicher stellen soll. (siehe auch die Darstellung unter „Forschung und Lehrstühle“)

Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

Eine maßgebliche Forschungseinrichtung der Kerntechnik aber außerhalb des Bereichs Kernkraft/Kernspaltung ist das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP), eine der wichtigsten Forschungseinrichtungen zu Kernfusion weltweit. Mit den eigenen Fusionsexperimenten ASDEX upgrade und Wendelstein 7-X sowie den Beteiligungen am Joint European Torus (JET) in Großbritannien, dem Tokamak JT-60SA in Japan, dem Projekt ITER und den Vorabreiten zu DEMO hat das IPP eine Spitzenposition in der Magneteinschlussfusion mit dem Reaktorkonzept Tokamak und eine Führungsrolle beim Stellarator-Konzept. Die Forschungsthemen sind Tokamak-Szenario-Entwicklung, Physik des Plasmarandes, Plasma-Wand-Wechselwirkung, ITER-Technologie und Diagnostik, Tokamaktheorie, numerische Methoden in der Plasmaphysik, Stellarator-Dynamik und -Transport, Stellarator-Heizung und -Optimierung sowie Stellaratortheorie.

Blick in das Plasmagefäß der Fusionsanlage ASDEX Upgrade (2015) Foto: MPI für Plasmaphysik, Volker Rohde

Karlsruher Institut für Technologie

Am Karlsruher Institut für Technologie – ehemals Gesellschaft für Kernforschung bzw. Kernforschungszentrum Karlsruhe – ist die Kerntechnik zwar lange nicht mehr Schwerpunktgebiet, bietet aber mit dem Institut für Neutronenphysik und Reaktorforschung (INR) sowie dem Institut für Nukleare Entsorgung (INE) nach wie vor Spitzenforschung in den Bereichen sicherheitstechnische Analyse kerntechnischer Anlagen und Fusion bzw. sicherer Rückbau kerntechnischer Einrichtungen und Endlagersicherheitsforschung. Am INR werden die Themen Reaktorphysik und -dynamik, Anlagenentwicklung, Systemdynamik und Sicherheit, thermohydraulische Simulationen

und Optimierung, Neutronik und Kerndaten, Messtechnik und experimentelle Methodik sowie Design und Analyse nuklearer Komponenten, Fertigung und Qualifizierung behandelt. Am INE, das sich die Professur mit dem Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) teilt, wird im Bereich Kerntechnik an den Themen Rückbau konventioneller und kerntechnischer Bauwerke, Endlagersystem und -komponenten, Radiochemie sowie Radionuklidspeziation und Analytik gearbeitet. Beide Institute verfügen über Forschungsanlagen und Experimentiereinrichtungen. Darüber hinaus besteht das Institut für Angewandte Thermofluidik (IATF), das sich mit innovativen Reaktorsystemen sowie im Bereich Kernfusion mit Thermohydraulik und Thermomechanik, Diagnostik und Entwicklung hochauflösender Messverfahren, Systemdynamik sowie Neutronenphysik und Kerndaten beschäftigt sowie das Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit (ITES) in dem u. a. an Wärmespeicherung und -übertragung mittels Wasser, Flüssigmetall und Flüssigsalz, der Magnetohydrodynamik für die Fusion, der numerischen Strömungssimulation sowie der Analyse und Entscheidungsunterstützung bei kritischer Infrastruktur und radiologischen Unfällen geforscht wird. (siehe auch die Darstellung in „Forschung und Lehrstühle“)

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

Am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, einst Heimstatt des wichtigsten Forschungsreaktors der DDR und des zweiten Forschungsreaktors Deutschlands wird das kerntechnische Know-how am Institut für Fluiddynamik mit einem Schwerpunkt bei der Reaktorsicherheitsforschung gepflegt. Die Forschungsschwerpunkte sind Experimentelle Thermofluiddynamik, Magnetohydrodynamik, Computational Fluid Dynamics und Transportprozesse an Grenzflächen. Das Institut verfügt über die Thermohydraulik-Versuchsanlage TOPFLOW. Am Institut für Ressourcenökologie (IRE) wird zu langlebigen Radionukliden in Bio- und Endlagersystemen und zur Sicherheit von Kernreaktoren geforscht. Im Bereich der medizinischen Anwendung sind das Institut für Radioonkologie tätig, an dem daran gearbeitet wird, die Behandlung von Krebserkrankungen durch eine biologisch individualisierte, technologisch optimale Strahlentherapie zu verbessern sowie das Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung, das zur molekularen Bildgebung und Therapie von Tumoren forscht.

Strömungen aus Dampf und Wasser im Kernreaktor werden am Versuchstand DENISE untersucht Copyright: HZDR/Oliver Killig

Forschungszentrum Jülich

Am Forschungszentrum Jülich bestehen am Institut für Energie- und Klimaforschung der Arbeitsbereich vier, Plasmaphysik, zur Fusionsforschung mit Forschungsschwerpunkt bei der Plasma-Wand-Wechselwirkung, Theorien und Modellierung, Materialtests, Materialien und Komponenten sowie der Arbeitsbereich sechs, Nukleare Entsorgung, an dem zur Endlagersicherheit, der Reaktorsicherheit, hochradioaktiven Abfällen, hydrometallurgischen Trennverfahren für hoch aktive Abfälle zur optimierten Endlagerkonditionierung, Radionuklidtransport sowie Safeguards und Sicherung geforscht wird.

Universität Stuttgart

An der Universität Stuttgart ist die kerntechnische Forschung am Institut für Kernenergetik und Energiesysteme (IKE) gebündelt. Am IKE wird mit den beiden Abteilungen für Reaktorsicherheit, Systeme und Umwelt sowie Energiewandlung und Wärmetechnik zu Micro-Modularen-Reaktoren, Maschinellem Lernen in Störfallanalyse und Störfallmitigation, innovativen passiven Sicherheitssystemen für Kernkraftwerke, den Eigenschaften von Systemen mit überkritischen Fluiden, der Validierung bestehender Codes zur Störfallsimulation für Leichtwasser SMR und zur Weiterentwicklung von Simulationsmodellen für die späte Störfallphase zur Verbesserung von Severe Accident-Strategien geforscht. (siehe auch die Darstellung in „Forschung und Lehrstühle“)

Ruhr-Universität-Bochum

An der Ruhr-Universität-Bochum ist die Kerntechnik Bestandteil des Instituts für Energietechnik in der AG Plant Simulation and Safety (PSS). Die Forschungsschwerpunkte sind dabei die Weiterentwicklung, Optimierung und Validierung internationaler Störfallanalysecodes und deren physikalischer Modellbasis, Störfallanalysen und Möglichkeiten der Störfallvermeidung (Severe Accident Management Guidelines (SAMGs)), Entwicklung von Datensätzen zur Simulation europäischer Kraftwerkstypen, CFD-Analysen und die Untersuchung aktueller Ereignisse.

Der Rundblick über die Kerntechnik in- und außerhalb der Kernkraft zeigt, dass es hierzulande eine vielfältige und kompetente Branche gibt, die in ihrer Gesamtheit so etwas wie einen wirtschaftlich-technologischen Hidden Champion eigener Art bildet. Betrachtet man die erstaunliche Breite industrieller und wissenschaftlicher Kompetenz in der Kerntechnik im Atomaussteigerland Deutschland, würde man kaum glauben, dass die Gesamtbranche in Industrie, staatlichen Entsorgungsunternehmen, Forschung, Behörden, Gutachterorganisationen und im Rückbau tätigen EVU-Beschäftigten auf weniger als 30.000 Mitarbeiter kommt. Die Kerntechnik in Deutschland ist offenkundig kein Beschäftigungsriese, aber ein Produktivitäts- und Außenhandelsriese, der geeignet ist, das inzwischen leider zum Teil angeschlagene Image der deutschen Wirtschaft und Industrie im Ausland zu verbessern.

In einer Zeit viel beklagter Schwäche wichtiger Industriezweige bietet die Kerntechnik heute in einem Umfeld, das vom Aufschwung der Kernenergie in einer großen Zahl von Ländern und sich weitenden technischen Horizonten geprägt ist, gute Entwicklungsmöglichkeiten. Mit dem hohen Anteil an Know-how und Know-why ihrer Wertschöpfung ist die Kerntechnik nicht so stark von Energie- und Materialkosten abhängig und von ihrer Grundstruktur als Branche des Maschinen- und Anlagenbaus ist ihr Betätigungsfeld eines, dass traditionell zu den Stärken der deutschen Wirtschaft gehört, anders als etwa die Fertigung von Massenprodukten in von Kosten- und Preisdegression geprägten Branchen. Mit anderen Worten, der Wert des technischen, wissenschaftlichen und industriellen Kapitalstocks Kerntechnik ist für die deutsche Wirtschaft weit größer als die heutige Beschäftigtenzahl vermuten lässt.

Dies allein sollte eigentlich Anlass für die Politik sein, die Branche in ihrem außenwirtschaftlichen Engagement zu fördern und nicht zu behindern sowie die Forschung zu erhalten und die Lehre auszuweiten, um den Fachkräftenachwuchs für einen bald expandierenden Sektor zu gewährleisten. Hinzu treten aber noch die Gesichtspunkte der langfristigen Kompetenzerhaltung für die in Deutschland noch anliegenden Aufgaben, der Wunsch in diesem Bereich technologisch nicht abgehängt zu werden, während die Nachbarstaaten – gerade etwa qua Ankündigung nun auch Schweden – die Kernenergie mit bewährten und neuen Technologien ausbauen und nicht zuletzt das Bestreben, die hierzulande gewachsene besondere Sicherheitskultur in der Kerntechnik in die internationale Entwicklung einzubringen. Das Schlusswort soll nun das „Konzept zur Kompetenz und Nachwuchsentwicklung für die nukleare Sicherheit“ der Bundesregierung haben, an das hiermit erinnert sei und in dem es heißt:

Industrie, Gewerbe und Dienstleister beteiligen sich an nationaler und internationaler nuklearer Sicherheitsforschung und tragen zur Kompetenzentwicklung und Nachwuchsförderung sowie zur internationalen Diskussion bei. Gleichzeitig tragen sie die Fortentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik auf den genannten Gebieten in die konkrete Anwendung im In- und Ausland. Damit wurden auch vertiefte Einblicke und eigenständige Erkenntnisse hinsichtlich der sicherheitsrelevanten Entwicklungen im Ausland möglich. Neben der internationalen Vernetzung von Forschung, Lehre, Genehmigung und Aufsicht bildeten Aktivitäten deutscher Unternehmen im Ausland eine wichtige Grundlage, um deutsches Sicherheitsverständnis im Ausland zu verbreiten und praktisch umzusetzen.

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