Kerntechnische Lehrstühle in Deutschland: Zukunftssichere Ausbildung für Nukleartechnologie und Strahlenschutz
Kerntechnische Lehrstühle und Forschungseinrichtungen leisten einen essenziellen Beitrag zum Erhalt und zur Weiterentwicklung von Wissen und Fähigkeiten im Bereich der Nukleartechnologie und dem Strahlenschutz. Sie bilden die Fachkräfte aus, die auch in Zukunft in der Lage sind, sichere und innovative Lösungen für den Betrieb, Rückbau und die Entsorgung kerntechnischer Anlagen bereitzustellen.
In einer Zeit, in der Fragen der Energiesicherheit, Klimaschutz und technologischem Fortschritt eng miteinander verbunden sind, bleibt die Kerntechnik ein wichtiges Standbein in der wissenschaftlichen Landschaft. Der Erhalt dieser Lehrstühle ist daher unverzichtbar, um die hohen Sicherheitsstandards sowie die technische und wissenschaftliche Expertise in Deutschland langfristig zu sichern. Gerade in einem Umfeld, in dem die Forschung zunehmend international vernetzt ist, sorgen die deutschen kerntechnischen Lehrstühle dafür, dass die nächste Generation von Fachleuten bereit ist, verantwortungsvolle Lösungen zu entwickeln und auf die Herausforderungen einer sich wandelnden Energielandschaft vorbereitet ist.
Diese Plattform informiert über aktuelle Lehrangebote die Studierenden, Wissenschaftlern und der Industrie zukunftsweisende Möglichkeiten eröffnen und den Kompetenzerhalt im Bereich der Kerntechnik in Deutschland sicherstellen.
Universität Stuttgart – Institut für Kernenergetik und Energiesysteme (IKE)
Kompetenzerwerb und Kompetenzentwicklung der Studierenden und Promovierenden ist das Leitbild der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Kernenergetik und Energiesysteme (IKE) der Universität Stuttgart. In einem Mix aus klassischer Kernenergietechnik, Reaktorsicherheitsforschung und innovativen Methoden wird den Zuhörern die „Faszination Kerntechnik“ nähergebracht.
Ausgangslage für die Kerntechnik in Deutschland
„Brauchen wir noch kerntechnische Lehrstühle und Forschungsarbeiten zur Reaktorsicherheit? Hat sich das nicht mit dem Abschalten der letzten Leistungsreaktoren erledigt? Diese Fragen bekomme ich gerade wieder häufiger gestellt“, erklärt Prof. Jörg Starflinger, geschäftsführender Direktor des Instituts für Kernenergetik und Energiesysteme der Universität Stuttgart. „Und meine Antwort ist immer: Ja, sicher brauchen wir das!“ Der Hintergrund für diese Einschätzung ist der Fachkräftemangel, der auch im akademischen Bereich deutlich spürbar ist. Die Studierendenzahlen im Bereich der Ingenieurwissenschaften an der Uni Stuttgart gehen deutlich zurück. Dabei wird eine kontinuierliche Anzahl an Absolventen gebraucht, um freiwerdende Stellen in der kerntechnischen Industrie zu besetzen. Stilllegung und Rückbau werden sicher noch 30 Jahre lang wichtige Themen sein. Strategisch gesehen ist ein tragfähiges nationales Konzept für die Weiterentwicklung von Kompetenzen in der Kerntechnik für die Beurteilung der Entwicklung von Neuanlagen in unseren Europäischen Nachbarländern erforderlich. Langfristig gilt es, bis zum Verschluss eines Endlagers, relevantes Know-how, das nicht einfach in Datenbanken speicherbar ist, weiterzuführen und ständig dem aktuellen, internationalen Stand von Forschung und Wissenschaft entsprechend weiterzuentwickeln. Gerade letzteres ist eine gesellschaftliche, generationenübergreifende Aufgabe, welche von allen wichtigen Akteuren gemeinsam gemeistert werden muss. Auch dafür brauchen wir eine kontinuierliche Ausbildung und Entwicklung zukünftiger Know-how Träger unter Einbeziehung von Forschung und Entwicklung, Industrie, Gutachterorganisationen und Aufsichtsbehörden. Das IKE steht für diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe zur Verfügung.
Kerntechnische Lehre
Die Lehre besteht aus den Grundlagen der Kerntechnik und weiteren Spezialisierungen. Neben den Vorlesungen Kerntechnische Anlagen zur Energieerzeugung, in der der Aufbau und die Funktion von Kernkraftwerken (inkl. Gen III+, Gen IV, SMR und MMR-Anlagen) erläutert werden, können Studierende ihre Kenntnisse in den Vorlesungen Reaktorphysik und -sicherheit, Modellierung kerntechnischer Anlagen und Strahlenschutz vertiefen. In Probabilistik- und Monte-Carlo-Methoden werden Studierende mit aktuellen Methoden zu Sensitivitäts- und Unsicherheitsanalysen vertraut gemacht, wie sie beispielsweise im GRS-Code SUSA eingesetzt werden. Diese Vorlesung besuchen interessanterweise viele Studierende der Luft und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart, die dies als wertvolle Ergänzung ihres Curriculums verstehen.
Neu hinzugekommen ist die Vorlesung Nuclear Waste, für den englischsprachigen Studiengang WASTE und als Angebot für die Studierenden der Umweltschutztechnik. Weiterhin ist eine deutschsprachige Vorlesung Nuklear Abfälle – wohin damit? für Nicht-MINT-Studierende im letzten Wintersemester erstmalig angeboten worden. Studierende der Fächer Geschichte und Architektur waren die ersten Teilnehmer dieser Vorlesung, die ausgebaut werden wird und ggf. im „Studium Generale“ wissenschaftlich interessierte Personen außerhalb der Universität über radioaktive Abfälle, Entsorgungs- und Endlagerkonzepte informieren soll.
Als Lehrexport vermittelt das IKE Studierenden der Biomedizinischen Technik der Unis Tübingen und Stuttgart Kenntnisse über Radioaktivität und Strahlenschutz sowie Grundlagen der medizinischen Strahlentechnik. Die letztgenannte Vorlesung dient als Einstieg zur Vorlesung „Grundlagen der Therapie mit ionisierender Strahlung“, die vom Medizinphysiker des Robert-Bosch-Krankenhauses und des Marienhospitals Stuttgart durchgeführt wird.
Praktika am Siemens Unterrichtsreaktor (SUR-100)
Zu allen Studiengängen gehören Praktika. Das IKE bietet mit seinem Siemens Unterrichtsreaktor (SUR-100), einem Nullleistungsreaktor mit 100 mW Nennleistung am Standort Stuttgart, praktische Experimente an einem Kernreaktor an. Beispielsweise kann der Neutronenflussverlauf im SUR an der Tafel hergeleitet, oder eben am Reaktor direkt gemessen werden. Eine solche Experimentiereinrichtung ist die ideale Ergänzung zum Tafelanschrieb und unterstützt somit den Lernerfolg. Weiterhin können Aktivierungsversuche durchgeführt und beispielsweise Halbwertzeiten bestimmt werden. Mit dem vorhandenen Gamma-Spektrometer können nach Aktivierung im SUR-100 Inhaltsstoffe von Substanzen identifiziert werden. So entdecken Studierende immer wieder in den Integrierten Schaltkreisen der 80er Jahre neben Silizium, Kupfer sowie Gold und Silber. Ein aktuelles Projekt ist ein Versuchsaufbau zur Herstellung von Technetium 99 aus Molybdän 98. Den Studierenden der Medizintechnik soll ein Weg der Herstellung dieses wichtigen Radiopharmakons praktisch erläutert werden. Der Lernerfolg mit diesen praktischen Versuchen ist viel größer als nur mit Theorie.
Innovative Forschungsthemen
Nach dem Humboldt’schen Bildungsideal sind Lehre und Forschung an einer Universität untrennbar miteinander verbunden. Diesem Ideal folgend werden am IKE Forschungsarbeiten zu sehr aktuellen Themen durchgeführt, von denen hier nur zwei Beispiele genannt werden sollten: Passive Wärmeabfuhr und Künstliche Intelligenz. Alle Themen werden in der Regel von Promovierenden bearbeitet, die durch die Arbeit an den wissenschaftlichen Themen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten aufbauen bzw. verbessern. Dadurch werden sie sehr interessant für den Arbeitsmarkt, leider oftmals auch außerhalb der Kerntechnik. Die Projektförderung erfolgt durch die Bundesministerien und durch die EU, nicht durch Industrieaufträge.
Passive Nachwärmeabfuhr ist durch den Unfall in Fukushima in den Fokus der Reaktorsicherheitsforschung gerückt. Hierbei stellt sich die Frage, wie die Nachwärme bei Ausfall der Not- und Nachkühlkette und einer zerstörten Infrastruktur (kein Zugang für externe Maßnahmen) abgeführt werden kann. Ein von der EU gefördertes Projekt bewertet den möglichen Einsatz eines autarken, selbst-startenden, sehr kompakten, nachrüstbaren Nachwärmeabfuhrsystems mit überkritischem Kohlenstoffdioxid als Arbeitsmittel (sCO2-4-NPP). Für einen generischen KONVOI konnte gezeigt werden, dass 4 solcher Kreisläufe die Nachzerfallswärme verlässlich abführen können. Ein weiteres Projekt ist die passive Kühlung von Nasslagern mittels Heat Pipes (PALAWERO 2, BMWi (heute BMUV), Förderkennzeichen: FKZ 1501515). Die im Heat Pipe vorhandene Flüssigkeit verdampft in der Verdampfungszone und transportiert die Wärme zur Kondensationszone, meist am oberen Ende der Heat Pipes um Auftriebskräfte bei der Verdampfung zu nutzen. Die Wärme wird beispielsweise an die Umgebungsluft abgegeben, was die Abhängigkeit der Wasserbevorratung verringert. Sog. Loop-Heat Pipes können auch zur sicheren passiven Nachwärmeabfuhr bei neuen SMR-Designs dienen (siehe EU Projekt PASTELS). Mehr Beispiele finden sich auf der IKE-Website: www.ike.uni-stuttgart.de/forschung/forschungsprojekte
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein weiteres Zukunftsthema in der Kerntechnik. Hierbei geht es weniger um die Formulierung von Texten, sondern darum, wie eine KI dahingehend trainiert werden kann, dass hoch-komplexe, rechenzeitintensive Simulationsvorgänge, wie beispielsweise die späte Störfallphase, mit vernünftigem Ressourcenaufwand durchgeführt werden können. Nicht allen steht ein Großrechner zur Verfügung. Dazu haben sich neben dem IKE das Institute für parallele und Verteilte Systeme der Uni Stuttgart und die Arbeitsgruppe Plant Simulation and Safety der Ruhr Universität Bochum zusammengeschlossen, um aus einer sehr umfangreichen Datenbasis, die beide kerntechnische Institute besitzen, mit Hilfe von KIs rechenzeitgünstige, aber durch die Datenmenge hinsichtlich der Gültigkeit abgesicherte Modelle (sog. Surrogatmodelle) abzuleiten, die dann in thermohydraulischen Systemcodes, wie ATHLET der GRS, verwendet werden können. Das Projekt wird vom BMBF gefördert (FKZ: 02NUK078). Auch hier steht neben dem wissenschaftlichen Ziel die Kompetenzentwicklung von Promovierenden, die von engagierten Studierenden unterstützt werden, im Vordergrund.
Zukunft in Forschung und Lehre?
Man stelle sich folgende Frage: Vor dem Hintergrund, dass es vielleicht erst ab 2079 oder sogar noch deutlich später ein Endlager für wärmeentwickelnde Abfälle geben könnte (siehe atw 03/2023), wer macht 2050 eigentlich noch eine Kritikalitätsanalyse nach (dann) aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik für die Brennelemente in den CASTOR©-Behältern? Wissen kann man nicht speichern. Man speichert Daten und Informationen. Wissen generiert man aus dem ständigen Arbeiten mit Daten und Fakten. Erfahrungen (Know-how) sammelt man aus richtig und besser sogar aus falsch angewendetem Wissen.
Wissen generieren wir durch Projekte, seien es nationale oder internationale. Wissen gibt man an Universitäten und Hochschulen weiter in dem wir Studierenden beibringen, wissenschaftlich sauber mit Fakten und Daten zu arbeiten. Wer soll das machen, wenn die Gefahr besteht, dass die Universitäten in Gefolgschaft gegenüber politischen Erwartungshaltungen ihre kerntechnischen Institute schließen? Die sehr guten, strategischen Nachwuchsprogramme des BMBF und BMWi (nun BMUV) mit ihren zielgerichteten Förderungen von Nachwuchsgruppen werden dann ins Leere laufen. Die Frage der „Lehre und Lehrenden 2030“ muss jetzt, unter Einbeziehung des Bundes und der Länder, geklärt werden. Vielleicht ist es sogar Zeit für eine „kerntechnische Akademie“?
Universität Stuttgart
Campus Vaihingen
Pfaffenwaldring
70569 Stuttgart
Prof. Dr.-Ing. Jörg Starflinger
Geschäftsführender Direktor
Institut für Kernenergetik und Energiesysteme
+49 711 685 62138
institut@ike.uni-stuttgart.de
Technische Universität München – TUM Center for Nuclear Safety and Innovation (TUM.CNSI)
Das Motto von TUM.CNSI “Kompetenzerhalt durch Forschung“ fasst unsere Mission und Motivation in drei Worten zusammen. Wir sind davon überzeugt, dass die Kerntechnik mehr ist als eine Brückentechnologie, bereits heute Lösungen für existenzielle Probleme liefert und einen entscheidenden Beitrag dazu leisten wird, dass wir die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte erfolgreich meistern werden. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn die aktuell durchaus vorhandenen offenen Fragestellungen durch motivierte Forschungsprojekte angegangen werden. Wir sind überzeugt, dass Universitäten dafür die idealen Institutionen sind. Insbesondere bei der dringend gebotenen Dekarbonisierung ist die Kerntechnik nahezu unersetzlich, gleiches gilt für die Entwicklung modernster Medikamente für die Krebsdiagnostik und –therapie. Die aktive Forschung einerseits sowie die Vermittlung der notwendigen Expertise an motivierte Studierende und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler andererseits stellt seit seiner Gründung 2021 einen der wesentlichen Eckpfeiler von TUM.CNSI dar.
Die Kernenergie – eine Bestandsaufnahme
Trotz des vollzogenen Ausstieges aus der Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität in Deutschland wird die Kerntechnik aufgrund ihres breiten Anwendungsspektrums auch zukünftig eine wesentliche Rolle am Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland spielen. Sie findet Anwendung in zahlreichen Bereichen, wie z. B. der Werkstoffprüfung, der Grundlagenforschung und der Herstellung von Radiopharmazeutika. So übernehmen wenige Forschungsreaktoren und radiochemische Einrichtungen eine tragende Rolle bei der weltweiten Versorgung mit Radiopharmaka wie z. B. Technetium-99m. Kerntechnisches Wissen ist ebenfalls grundlegend für Strahlenforschung und Strahlenschutz. Auch werden Stilllegung und Rückbau der bestehenden nuklearen Anlagen in Deutschland sowie die Suche, Qualifizierung und Inbetriebnahme von Endlagern für radioaktive Abfälle noch über Jahrzehnte andauern. Gleichzeitig beurteilt die überwiegende Mehrheit der europäischen und internationalen Industriegesellschaften die Kernenergie, insbesondere im Hinblick auf ihren positiven Beitrag zu Klima- und Umweltschutz, wesentlich wohlwollender. So befinden sich derzeit weltweit 50 Kernreaktoren im Bau.
In der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts, und perspektivisch darüber hinaus, werden daher weiterhin umfangreiches Fachwissen und Anwendungserfahrung im nuklearen Bereich in Deutschland erforderlich sein. Zusätzlich liegt es im ureigenen Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik, Expertise in der nuklearen Sicherheit zu besitzen, um diese international aktiv einbringen zu können. Diese Expertise bezieht sich dabei explizit nicht nur auf den Erhalt bereits erworbenen Wissens. Mit Hinblick auf die Entwicklung und Implementierung neuer Reaktorkonzepte im europäischen und außereuropäischen Ausland muss auch eigene Forschung betrieben werden, um international auf Augenhöhe diskutieren und argumentieren zu können.
Garchinger Reaktoren – vom nuklearen Anfang und Ausklang in Deutschland
Während mit dem Forschungsreaktor München (FRM) 1957 das Reaktorzeitalter in Deutschland eingeläutet wurde, wird es voraussichtlich gegen Ende des 21. Jahrhunderts mit dem Abschalten der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) dort seinen Ausklang finden. Beide Reaktoren haben den Standort Garching nachhaltig geprägt und auch die kerntechnische Forschung und Lehre an der TUM ist historisch vor allem mit dem FRM II eng verwoben. Da bei diesem bereits von Beginn an eine Umstellung auf einen Brennstoff mit niedrigerer Anreicherung vorgesehen und politisch verankert war, wurde 2003 die Arbeitsgruppe Hochdichte Kernbrennstoffe / Reaktorphysik gegründet. Sie entwickelt den für die Umrüstung erforderlichen neuen Kernbrennstoff und realistische, theoretische Umrüstungsszenarien. Dazu betreibt sie seit 2013 ein deutschlandweit einzigartiges Kernbrennstofflabor zur Forschung und Entwicklung von neuen, hochdichten Kernbrennstoffen für Forschungsreaktoren. Als Ergebnis dieser langjährigen Bemühungen konnte 2022 gezeigt werden, dass mit einem neuartigen monolithischen Uran-Molybdän Brennstoff sowie geometrischen Änderungen eine Umrüstung des FRM II auf ein niedrig-angereichertes Brennelement wissenschaftlich möglich ist. Damit ist die Voraussetzung für einen langfristigen Weiterbetrieb der Garchinger Neutronenquelle geschaffen.
Bündelung von Kompetenzen – Gründung von TUM.CNSI
Die TUM ist seit diesem Jahr die einzige Betreiberin eines Kernreaktors im Regelbetrieb mit einer nennenswerten thermischen Leistung und verfügt darüber hinaus mit der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Radiochemie München (RCM) und dem Lehrstuhl für Nukleartechnik über ein für eine Universität deutschlandweit einzigartiges, kerntechnisches Fähigkeitsportfolio. Somit war es naheliegend, die am Campus bereits bestehenden Kompetenzen unter einem gemeinsamen Namen zusammenzuführen, sodass 2021 das TUM Center for Nuclear Safety and Innovation (TUM.CNSI) gegründet wurde. In diesem wird die an der TUM vorhandene Expertise in Themenkomplexen gebündelt, sodass Forschungsprojekte interdisziplinär behandelt werden können. Dazu zählen z. B. die Entwicklung neuartiger Reaktorkonzepte, neue Lösungen für die Prozessierung und Entsorgung nuklearer Abfälle sowie die Entwicklung neuer medizinischer Radioisotope.
Einzigartige Infrastruktur – Labore und Rechencluster
Ein wesentlicher Schwerpunkt von TUM.CNSI am FRM II liegt auf der angewandten Forschung, welche in verschiedenen Laboren durchgeführt wird. Insbesondere die Erforschung von monolithischen Uran-Molybdän-Brennstoffen (U-Mo) ist aktuell ein zentrales Forschungsthema, da nur diese die notwendige Urandichte besitzen, um den FRM II auf low enriched uranium (LEU) umzurüsten. Das Kernbrennstofflabor verfügt dazu über mehrere Gloveboxen, in denen offen mit Uran in verschiedensten Formen umgegangen werden kann. Die Forschungsarbeiten geschehen in enger Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern und obwohl insbesondere durch die Umrüstung des FRM II motiviert, ergeben sich auch andere potentielle Einsatzszenarien, so z. B. für sogenannte Small Modular Reactors (SMRs). Weiterhin werden die experimentellen Kapazitäten von TUM.CNSI kontinuierlich ausgebaut. So wurde das Kernbrennstofflabor durch eine Verdopplung der Grundfläche deutlich ertüchtigt, zusätzlich wurden die analytischen Fähigkeiten unter anderem durch die Installation eines FIB-SEMs mit EDX- und EBSD-Detektoren signifikant verbessert. In Vorbereitung befindet sich derzeit ein Antrag, um die Genehmigung auf den Umgang mit Thorium zu erweitern, welches als Brennstoff für verschiedene alternative Reaktorkonzepte als Brennstoff Anwendung finden kann.
Das zweite, zentrale Standbein ist die theoretische Entwicklung neuer Reaktormodelle, wie z. B. einen LEU-Kern für den FRM II. Hierbei kommen modernste Computerprogramme zur Anwendung, wie Serpent 2 für die Neutronik, Stromfaden und Computational Fluid Dynamics (CFD) Codes für die Thermo-Hydraulik sowie verschiedene Mechanik-Programme. Um die notwendigen Berechnungen anfertigen zu können und auch der Gruppengröße Rechnung zu tragen, stehen TUM.CNSI mehrere, eigene Computer-Cluster mit insgesamt 2900 CPUs, sowie ein GPU-Cluster zur Verfügung. Auch hier werden die Kapazitäten beider Systeme aktuell deutlich ausgebaut.
Die Umrüstung des FRM II, aber auch neue Reaktorkonzepte profitieren von einer Qualifizierung von CFD-Programmen für kerntechnische Anwendungen. Der Goldstandard dafür ist der Vergleich von theoretischen Berechnungen mit experimentellen Daten. Letztere sind für Hochleistungs-Forschungsreaktoren nur sehr spärlich verfügbar, weshalb sich derzeit ein zweites Labor im Aufbau befindet, welches dem dezidierten Zweck der Validierung von Rechenmethoden dient. In diesem Labor wird ein neuer hydraulischer Teststand aufgebaut, in dem Wärmeübergangsphänomene sowie Turbulenzmodelle unter Reaktorbedingungen untersucht werden können. Außerdem hat TUM.CNSI Zugriff auf das hydraulische Labor, den Forschungsreaktor und die heißen Zellen der McMaster Universität in Hamilton, Kanada, und kann so das experimentelle Portfolio abrunden.
Lehre und Forschung als Garant für Expertise
Wissens- und Kompetenzerhalt gelingt nur durch aktive Forschung und Ausbildung. Dazu leistet TUM.CNSI bzw. die einzelnen Partner seit Jahren einen signifikanten Beitrag an der TUM. Insbesondere die Vorlesungen, die von TUM.CNSI betreut werden, ziehen viele Studierende in die kerntechnische Forschung. Besondere Erfolgsgaranten sind die Vorlesungen Reaktorphysik I & II mit jeweils mehr als 50 Studierenden. Ergänzt werden beide Vorlesungen durch die weiteren Veranstaltungen „Strahlung und Strahlenschutz“, „Einführung in die Kernenergie“, „Grundlagen und thermohydraulische Analyse von Kraftwerken“ und „Grundlagen der Nukleartechnik“. Die vielfältigen Themenkomplexe, die im Rahmen der Umrüstung des FRM II bewältigt werden mussten und müssen, macht diese zu einem der erfolgreichsten Programme für die kerntechnische Ausbildung in Deutschland. Durch die Vergabe von Abschlussarbeiten kann TUM.CNSI außerdem Studierenden auch langfristige und vor allem anwendungsbezogene Ausbildungsmöglichkeiten bieten. Die Studierenden profitieren hier zusätzlich von der engen Zusammenarbeit mit Kanada und dessen aktivem, zivilen Nuklearprogramm. Durch den Austausch können Studierende z. B. an der Entwicklung und dem Bau eines SMR oder an Bestrahlungsexperimenten mitwirken.
Zukünftige Herausforderungen: Finanzierung und Verteilung der Fördermittel
Der sog. „Atomausstieg“ stellt auch TUM.CNSI vor große Herausforderungen. Insbesondere die Verringerung der zur Verfügung stehenden Fördermittel sowie deren ungleichmäßige Verteilung an die im kerntechnischen Bereich tätigen Akteure wirft die Frage auf, ob die hervorragenden Bedingungen, welche die Forschung und die Lehre an der TUM in der Vergangenheit auszeichneten, auch für die Zukunft bewahrt werden können. Diese Frage ist durchaus existentieller Natur und erfordert beherztes und zügiges Handeln aller Beteiligten. Aufgrund des vorhandenen Rückhalts sind wir jedoch optimistisch, dass sich eine nachhaltige Antwort finden wird und somit die kerntechnische Forschung und Entwicklung an der TUM nicht nur sichergestellt, sondern ausgebaut werden kann. Dank der am Garchinger Campus präsenten Einrichtungen besitzt die TUM somit alle Voraussetzungen, ihre herausragende Stellung in der kerntechnischen Ausbildung in Deutschland auch in Zukunft zu halten.
Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II)
Technische Universität München
Lichtenbergstr. 1
85748 Garching
www.frm2.tum.de | www.mlz-garching.de
Dr. rer. nat. Tobias Chemnitz
tobias.chemnitz@tum.de
Dr. rer. nat. Christian Reiter
Christian.Reiter@frm2.tu-muenchen.de
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“. Als einzige deutsche Exzellenzuniversität mit nationaler Großforschung bieten wir unseren Studierenden, Forschenden und Beschäftigten einmalige Lern-, Lehr- und Arbeitsbedingungen. Die Wurzeln der universitären Bildungsstätte reichen bis ins Jahr 1825 zurück. Seine heutige Form erhielt das KIT, indem sich die Universität Karlsruhe (TH) und das Forschungszentrum Karlsruhe 2009 zusammenschlossen.
Das Programm Nukleare Entsorgung, Sicherheit und Strahlenforschung (NUSAFE) am KIT ist Teil des Programms NUSAFE im Forschungsbereich Energie der Helmholtz-Gemeinschaft und steht für die gesellschaftliche Vorsorgeforschung zur nuklearen Sicherheit.
Die Sicherheitsbewertung von Kernreaktoren sowie der Schutz der Bevölkerung und unserer Umwelt vor Strahlenexpositionen sind strategische, langfristige Ziele der NUSAFE-Vorsorgeforschung – auch nach Beendigung der nuklearen Stromerzeugung in Deutschland. International hat die Kernenergie eine langfristige Perspektive: Länder wie China, Südkorea, Japan und die USA bauen neue Kernkraftwerke, und auch europäische Nachbarn wie z. B. Frankreich und Finnland setzen weiterhin auf Kernenergie.
Radioaktive Abfälle verantwortungsbewusst zu entsorgen und in einem Endlager sicher zu verwahren, bleibt eine Herausforderung für sehr lange Zeit. Die Sicherheit eines Endlagersystems muss nach gesetzlicher Vorgabe für einen Zeitraum von einer Million Jahre nachgewiesen werden. Das Programm NUSAFE betreibt Forschung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf grundlegenden Prozessen, die einen relevanten Einfluss auf die Langzeitsicherheit haben. Wir erforschen, wie sich radioaktiver Abfall im Laufe der Zeit verändert und verhält und wie sogenannte Radionuklide – also radioaktive Elemente – sicher in Endlagern verwahrt werden können. Außerdem untersuchen wir, welche Schritte weiterhin erforderlich sind: Was muss beim Rückbau kerntechnischer Anlagen beachtet werden? Wie sollten problematische (Sonder-)Abfallarten behandelt werden? Welche zusätzlichen Fragestellungen ergeben sich aus der absehbaren verlängerten Zwischenlagerung ausgedienter Brennelemente? Wie ist die Kernmaterialüberwachung zu organisieren?
Um diese Fragen zu beantworten, betreiben wir einzigartige Laborinfrastrukturen und schaffen damit die notwendigen Voraussetzungen für exzellente nukleare Sicherheitsforschung. Wir widmen uns außerdem intensiv der Ausbildung und Förderung des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses, der bei Behörden, in der Industrie und der Wissenschaft dringend benötigt wird.
Im Folgenden werden die Vorlesungen, die am KIT in dem Bereich der nuklearen Sicherheitsforschung angeboten werden, kurz dargestellt.
Das Institut für Neutronenphysik und Reaktortechnik (INR) versteht sich als internationales Institut der Energieforschung. Innovation und Forschung umfassen Fusionstechnologie, Solarthermie, thermische Speicher, thermoelektrische Wandlungskonzepte und sicherheitstechnische Analysen kerntechnischer Anlagen vom Beschleuniger bis zu Kraftwerken.
In dem Bereich Kerntechnik werden vom INR die folgenden Vorlesungen angeboten:
Kernkraftwerkstechnik:
Ausbildungsziel der Lehrveranstaltung ist die Qualifizierung für eine forschungsnahe berufliche Tätigkeit in der Kernkraftwerkstechnik. Die Teilnehmenden können die wichtigsten Komponenten von Kernkraftwerken und deren Funktion beschreiben. Sie können eigenständig und gestalterisch Kernkraftwerke auslegen oder modifizieren. Sie eignen sich ein breites Wissen in dieser Kraftwerkstechnik an, einschließlich spezifischer Kenntnisse in der Kernauslegung, in der Auslegung des Primär- und Sekundärsystems und in der nuklearen Sicherheitstechnik. Auf Grundlage der erlernten Thermodynamik und Neutronenphysik können sie das spezifische Verhalten der Kernkraftwerkskomponenten beschreiben und analysieren, sowie Risiken selbst beurteilen. Teilnehmende der Vorlesung verfügen über ein geschultes analytisches Denken und Urteilsvermögen in der Konstruktion von Kernkraftwerken.
In einem weiteren Vorlesungsmodul werden innovative nukleare Systeme behandelt:
Ziel der Vorlesung ist die Vermittlung des aktuellen Standes und der Entwicklungsrichtungen der Kerntechnik. Nukleare Systeme, die aus der heutigen Sicht gute Perspektiven haben, werden vorgestellt. Die wesentlichen Eigenschaften solcher Systeme und dazugehörenden Herausforderungen werden dargestellt und diskutiert. Dazu gehören der aktuelle Stand und die Entwicklungstendenzen in der Kerntechnik sowie fortgeschrittene Konzepte des wassergekühlten Reaktors, schneller Reaktoren, die auch als Transmutationssysteme zur Behandlung nuklearer Abfälle eingesetzt werden können, und Entwicklungsrichtungen des gasgekühlten Reaktors, sowie Fusionssysteme.
In der Vorlesung Energiesysteme II werden die Grundlagen der Reaktorphysik vermittelt:
Die Studierenden erwerben umfassende Kenntnisse in der Physik von Kernspaltungsreaktoren: Neutronenfluss, Wirkungsquerschnitte, Spaltung, Brutprozesse, Kettenreaktion, kritische Größe eines Kernsystems, Moderation, Reaktordynamik, Transport- und Diffusionsgleichung für die Neutronenflussverteilung, Leistungsdichteverteilungen im Reaktor, Ein-, Zwei- und Mehrgruppen-Theorien für das Neutronenspektrum. Basierend auf den reaktorphysikalischen Kenntnissen können die Studierenden die Fähigkeiten verschiedener Reaktortypen – Leicht – und Schwerwasserreaktoren, Kernkraftwerke der Generation IV – sowie ihre grundlegenden nuklearen Sicherheitskonzepte verstehen, vergleichen und bewerten. Die Studierenden sind für die Weiterbildung im Bereich Kernenergie und Sicherheitstechnik sowie für (auch forschungsnahe) berufliche Tätigkeiten in der Nuklearindustrie qualifiziert.
In einer weiteren Vorlesung werden die Grundlagen der Reaktorsicherheit vermittelt:
Die Vorlesung diskutiert die Grundprinzipien und Konzepte der Reaktorsicherheit einschließlich der Methoden zur Sicherheitsbewertung und schwerer, Kern zerstörender Reaktorunfälle.
Ziel der Vorlesung ist es, die Grundlagen der Reaktorsicherheit zu vermitteln, welche zur Beurteilung der Sicherheit kerntechnischer Anlagen und der Bewertung von Reaktorunfällen wie Tschernobyl und Fukushima benötigt werden. Ausgehend von der Erläuterung der Hauptsysteme eines Kernkraftwerks werden die Sicherheitssysteme und -konzepte verschiedener Reaktortypen diskutiert. Die Entstehung und das Fortschreiten von Unfällen und Störfällen sowie die Methoden zu deren Bewertung werden ausführlich dargelegt. Anschließend wird der Fukushima-Unfall analysiert, dessen radiologischen Folgen dargestellt und die Gegenmaßnahmen zur Minimierung der Konsequenzen solcher Unfälle andiskutiert werden. Abschließend werden neue Entwicklungen der Sicherheit von Reaktoren der Dritten und Vierten Generation vorgestellt.
Das Institut für Angewandte Materialien (IAM) verfolgt einen interdisziplinären Ansatz in der Materialforschung, der die Vielfalt materialwissenschaftlicher Fragestellungen über mehrere Skalen abdeckt. Mit nationalen und internationalen Partnern erforscht es Werkstoffe von ihrem atomaren Aufbau bis zu ihrer Funktion im Produkt und schlägt dabei die Brücke von der Materialentwicklung über die Prozesstechnologie bis zur Systemintegration. Das IAM verfügt über breite methodische Kompetenzen in den Bereichen Herstellung und Verarbeitung, Charakterisierung und Simulation. Das IAM gestaltet die Lehre im Studiengang Materialwissenschaft und Werkstofftechnik und trägt die materialwissenschaftliche Ausbildung für weitere Studiengänge der Ingenieur- und Naturwissenschaften.
Am Institut für Angewandte Materialien – Angewandte Werkstoffphysik (IAM-AWP) wird folgende Vorlesung angeboten, die auch einen starken Bezug zur nuklearen Sicherheit hat.
Werkstoffeinsatz bei hohen Temperaturen
Der Lehrinhalt umfasst die vielfältigen Anwendungsgebiete und Anforderungsprofile für Hochtemperaturwerkstoffe. Dazu werden die Grundlagen der Hochtemperaturoxidation und die Einflüsse der Gasatmosphäre auf das Hochtemperaturkorrosionsverhalten vermittelt, sowie Schutzmaßnahmen gegen diese Korrosionsform aufgezeigt. Darüber hinaus werden auch komplexe mechanische Belastungen bei hohen Temperaturen erläutert. Des Weiteren werden die verschiedenen Hochtemperaturwerkstoffe behandelt: Stähle, Ni-Basislegierungen, Co-Basislegierungen, ODS- Legierungen, Refraktäre Legierungen sowie Keramiken und Verbundwerkstoffe.
Am Institute for Applied Materials – Mechanics of Materials and Interfaces (IAM-MMI) wird in einer weiteren Vorlesung, u. a. auch für die kerntechnische Ausbildung, die Auslegung hochbelasteter Bauteile behandelt.
Der Inhalt der Vorlesung umfasst die Regeln gängiger Auslegungsvorschriften, klassische Stoffgesetze der Elasto-Plastizität und des Kriechens sowie Lebensdauerregeln für Kriechen, Ermüdung und Kriech-Ermüdungs-Wechselwirkung.
Die Studierenden können die Regeln gängiger Auslegungsvorschriften für die Beurteilung von Bauteilen, die im Betrieb hohen thermo-mechanischen und/oder Bestrahlungsbelastungen unterliegen, benennen. Sie verstehen, welche Stoffgesetze beim Stand der Technik sowie Stand der Forschung zur Abschätzung der unter diesen Belastungen auftretenden Verformung und Schädigung und zur Vorhersage der zu erwartenden Lebensdauer verwendet werden. Sie haben einen Einblick über den Einsatz dieser in der Regel nichtlinearen Stoffgesetze in Finite-Elemente-Programmen und können die wesentlichen Punkte, die dabei zu beachten sind beurteilen.
Das Institut für Nukleare Entsorgung (INE) befasst sich vorwiegend mit der Sicherheitsforschung zur Endlagerung radioaktiver Abfallstoffe mit den Schwerpunkten Endlagersysteme/-komponenten, Radiochemie und Speziation von Radionukliden. Des Weiteren sind Arbeiten zum sicheren Rückbau kerntechnischer Anlagen sowie zur Geoenergie Teil des Forschungsportfolios.
Für Master-Studierende wurde ein Radiochemie-Modul eingerichtet, das aus Grundlagen- und weiterführenden Vorlesungen zur Radiochemie sowie Laborkursen besteht. Der Fokus der Vorlesung „Radiochemie I“ und „Radiochemie II“ liegt auf der grundlegenden und angewandten Radiochemie. Ziel der Vorlesung ist es, die Grundlagen der Radio- und Kernchemie zu vermitteln, um die Kenntnisse zur Radioaktivität hinsichtlich der zugehörigen Theorie und der Anwendung zu vertiefen.
Ergänzt wird diese Grundlagenvorlesung durch die Vorlesung zur „Chemie der f-Elemente“ sowie durch die Vorlesung „Instrumental Analytics„.
Ergänzend zu den Vorlesungen wird für die Studierenden im Radiochemie-Modul sowie für die Studierenden der Universität Heidelberg eine gemeinsames dreiwöchiges Blockpraktikum im Fortbildungszentrum Technik und Umwelt sowie im Kontrollbereich des INE angeboten.
Darüber hinaus wird vom INE, gemeinsam mit dem INR, die Vorlesung: Ausgewählte Probleme der angewandten Reaktorphysik mit Übungen angeboten.
Die folgenden Themen werden dabei für die Studierenden behandelt: Radioaktive Umwandlungen der Atomkerne, Kernprozesse, Kernspaltung und verzögerte Neutronen, Grundbegriffe der Wirkungsquerschnitt, Grundprinzipien der Kettenreaktion, Statische Theorie des monoenergetischen Reaktors, Einführung in die Reaktorkinetik sowie ein Kernphysikalisches Praktikum.
Die Abteilung „Rückbau konventioneller und kerntechnischer Bauwerke“ des Instituts für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) befasst sich mit der Forschung und Entwicklung von Rückbautechnologien.
Forschungsschwerpunkt des Instituts bildet das gesamte maschinentechnische Gebiet im Bauwesen und Baubetrieb. Durch die zusätzliche Berücksichtigung der Besonderheiten in der Kerntechnik wird das Know-How aller Sparten gebündelt. Wissenschaftliche Tiefe und Nähe zur Praxis geben sich hier synergetisch und komplementär die Hand. Für die interessierten Studierenden werden speziell in diesem Fachgebiet folgende Vorlesungsmodule angeboten:
Umwelt- und recyclinggerechte Demontage von Bauwerken. Mittels dieser Vorlesung sollen Studierende lernen Abbruch-, Demontage- und Entsorgungsarbeiten für bauliche und technische Anlagen selbständig zu planen, zu beantragen und vor Ort umzusetzen. Hierzu gehören die rechtlichen, technischen und praktischen Aspekte, angefangen von den Kriterien der passenden Verfahren über einen Abbruch- und Genehmigungsantrag, bis hin zu den entsprechenden Recycling- und Entsorgungsmöglichkeiten. Auch wird ein Überblick über die möglichen Schadstoffe (z. B. Asbest, Mineralfasern) und den entsprechenden Schutzvorkehrungen gegeben.
- Rückbau kerntechnischer Anlagen. Mittels dieser Vorlesung sollen Studierende u. a. in die Lage versetzt werden, Rückbaukonzepte zu erarbeiten und die benötigten Techniken und Verfahren zu wählen und einzusetzen, die Grundlagen der Genehmigung umzusetzen und entsprechende Anträge zu verfassen, Anforderungen der entsprechenden Gesetze zu berücksichtigen und umzusetzen.
Abschließend sei angemerkt, dass sich am KIT für die Studierenden im Rahmen von Forschungsarbeiten an den verschiedenen Instituten, die im Programm NUSAFE tätig sind, zahlreiche Möglichkeiten der Anfertigung einer Bachelor- oder Masterarbeit ergeben. Darüber hinaus werden auch Promotionsarbeiten an den Instituten angeboten.
Karlsruher Institut für Technologie
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Institut für Neutronenphysik und Reaktortechnik (INR)
Institut für Angewandte Materialien (IAM)
Institut für Nukleare Entsorgung (INE)
Das Institut Physikalische Chemie und Radiochemie an der Hochschule Mannheim kann auf eine über 50-jährige Tradition zurückblicken. Ursprünglich gegründet als Institut für Kerntechnik und Radiochemie hat es im Verlauf der Jahrzehnte bis heute eine Reihe von Wandlungen durchlaufen. Vor knapp acht Jahren hat Prof. Dr. Ulrich W. Scherer die Radiochemie übernommen und eine Arbeitsgruppe aus derzeit ca. 10 Personen aufgebaut, die sich in Lehre und Forschung betätigen.
Kernaufgabe Lehre
Unsere Kernaufgabe ist die Ausbildung von Studierenden der Chemie- und Verfahrenstechnik sowie des Maschinenbaus mit modernen Lehrmethoden in den Bereichen Radiochemie und Strahlenschutz.
In unserem Verständnis umfasst die Radiochemie alle Bereiche des Umgangs mit offenen radioaktiven Stoffen. In der Vorlesung Radiochemie werden die Grundlagen radiochemischen Arbeitens erläutert bis hin zu den Anwendungen der Tracertechnik mit ihren vielfältigen Anwendungen. Ein wichtiges Kapitel befasst sich mit der Herstellung von Kernbrennstoffen bis hin zur Entsorgung radioaktiver Abfälle, die noch in einer eigenständigen Vorlesung behandelt wird. Darüber hinaus bildet der praktische Umgang mit offenen Radionukliden in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen eine wichtige Säule unserer Ausbildung. Darüber hinaus bieten wir unseren Studierenden Kurse zum Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz an.
Unsere Laboratorien haben weitereichende Umgangsgenehmigungen und sind darüber hinaus ausgestattet mit der optimalen Messtechnik für alle Arten ionisierender Strahlung. Darüber hinaus betreiben wir eine Heiße Zelle sowie einen 14-MeV-Neutronengenerator.
Wir sind Mitglied des europäischen Hochschulnetzwerks CHERNE, das durch Kooperation und Austausch die Lehre verbessern will und den Studierenden der Partnerhochschulen Zugang zu Laboren und Großgeräten verschafft. Im Wesentlichen durch ERASMUs-Projekte finanziert, richten wir seit fast zwanzig Jahren Kurse für typischerweise ca. 20 Studierende aus, die sich mit Kerntechnik, Management nuklearer Abfälle, Umweltradioaktivität, aber auch mit Gebieten wie der Radionuklidproduktion an Zyklotronen beschäftigen.
Forschung und Entwicklung
Unsere Forschungsaktivitäten sind vielfältig. Für uns ist die Anwendbarkeit unserer Forschungsergebnisse in der Praxis von großer Bedeutung: Das Ziel ist die Entwicklung von Prozessen, Verfahren oder Geräten, mit denen eine bestehende Aufgabe (besser) gelöst werden kann. So haben wir den Prototypen eines Alphadetektors entwickelt, an dessen Oberfläche Radioelemente wie Plutonium oder Americium selektiv gebunden und mit hoher Ausbeute spektrometrisch gemessen werden können. Mit seiner Anwendung können der Personaleinsatz und Zeitaufwand bei der Erzeugung der Messproben von Alphastrahlern minimiert und somit der Probendurchsatz signifikant erhöht werden. Derzeit entwickeln wir diesen Detektor weiter zur Marktreife für Anwendungen im Rückbau, NORM-Management und der Radiopharmazie.
In einer Reihe von Kooperationsprojekten mit in der Metropolregion Rhein-Neckar ansässigen Firmen haben wir unterschiedliche Projekte für den Rückbau untersucht. Dabei wurde beispielsweise ein elektrochemisches Verfahren zur Probenahme entwickelt oder der Einsatz von gepulsten Hochleistungslasern für die Dekontamination von Bausubstanz technisch wie betriebswirtschaftlich untersucht. Ein besonderes Erfolgserlebnis ist es, den Einsatz der von uns untersuchten Methoden in den Anlagen zu sehen.
Im Mai dieses Jahres konnten wir einen weiteren Erfolg verbuchen: Im Rahmen von FORKA wurde bei uns eine Nachwuchsforschungsgruppe unter der Leitung von Frau Dr. Lotte Lens eingerichtet, die sich mit der Charakterisierung und Dekontamination von bestrahlten Reaktorgrafiten beschäftigt. Seitdem haben wir drei Doktoranden eingestellt, die ihre Arbeiten vorbereiten. Derzeit warten wir auf die Auslieferung der neu beschafften größeren Geräte für dieses ambitionierte Forschungsprojekt.
In jüngster Zeit sind internationale Kooperationsanfragen, die unsere Erfahrungen im Bereich „Chemie der Kernkraftwerke“ nutzen möchten, an uns gerichtet worden. Im Sinne des Kompetenzerhalts wären solche Kooperationen sehr wichtig, auch um den Betrieb von Kernkraftwerken in unseren Nachbarländern, aber auch anderen Erdteilen, bewerten zu können. Wegen unserer Auslastung sind solche Projekte nur über die weitere Expansion der Gruppe möglich.
Weiterbildung
Ein weiteres Standbein unseres Instituts sind unsere Weiterbildungsangebote. Aufgrund der allseits bekannten Probleme in der Rekrutierung von Fachkräften bieten wir jetzt im vierten Jahr Zertifikatskurse für Anfänger im Bereich Rückbau und Entsorgung an. Neben den in der Metropolregion ansässigen Firmen kommen die Teilnehmenden zunehmend aus anderen Regionen Deutschlands. Das Spektrum umfasst die natur- und ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen der Kerntechnik, aber auch besondere Themen wie Gebäudefreigabe oder Entsorgung radioaktiver Abfälle. Spezielle Kurse beschäftigen sich auch mit der nuklearen Messtechnik.
In den vergangenen Jahren konnten wir darüber hinaus einen Grundlagenkurs für die ca. 70 neuen Mitarbeiter:innen des Landesumweltministeriums durchführen.
Eine mögliche Weiterentwicklung wäre die Einrichtung eines Masterstudiengangs für Rückbau und Entsorgung. Aufgrund unserer Rahmenbedingungen ist das nur als berufsbegleitender Studiengang möglich. Dazu ist aber eine relevante Unterstützung vonseiten des Landes und der Industrie erforderlich. Die bislang zugesagten Angebote reichen noch nicht aus, um dieses anspruchsvolle Projekt zu beginnen.
Ausblick
Wir bewegen uns in einem schwierigen Umfeld: die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften werden von ihren Geldgebern deutlich schlechter ausgestattet als die Universitäten, obwohl sich die Aufgabengebiete stark aneinander angenähert haben. So ist z. B. seit ca. 30 Jahren die Forschung als Aufgabe festgeschrieben, allein ist die Ausstattung mit den dafür erforderlichen Ressourcen (Personal, Raum, Ausstattung, Finanzierung) bislang unterblieben. Bei Lehrdeputaten, die mehr als doppelt so hoch sind wie der universitären Kolleg:innen bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand. Hinzu kommt, auch wenn uns inzwischen das Promotionsrecht gewährt wurde, dass unsere akademische Ausbildung nicht primär auf die Ausbildung von Doktoranden abzielt. Somit greifen für uns die Fördermaßnahmen des Bundes oft zu kurz oder gar nicht, da sie sich aufgrund der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, nur auf die Forschungsförderung von Projekten ausgeführt von Doktoranden beziehen. Da wünschen wir uns eine Änderung der Verfahren, die unserer Struktur Rechnung trägt.
Ansonsten kann ich der Meinung vieler Kollegen nur zustimmen: Kompetenzerhalt in der Kerntechnik ist nur möglich, wenn die noch vorhandenen Professuren und Lehrstühle erhalten bleiben. Es ist weiterhin möglich, Studierende von diesen interessanten und attraktiven Arbeitsgebieten zu überzeugen. Die Einrichtung einer hochschul-übergreifenden Akademie, ist dazu sicherlich eine erwägenswerte Maßnahme zur Bündelung der Kompetenzen.
Hochschule Mannheim
Paul-Wittsack-Straße 10
68163 Mannheim
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Leiter des Instituts für Physikalische Chemie und Radiochemie und Strahlenschutzbevollmächtigter der HSMA
Seit nunmehr über 20 Jahren bietet die FH Aachen an ihrem Standort in Jülich den erfolgreichen Studiengang „Master of Nuclear Applications“ an. Von Beginn an stand für den 4-semestrigen Studiengang dabei neben der Internationalität auch die Interdisziplinarität im Bereich nuklearer Anwendungen im Vordergrund. Das Modell ist bis heute einmalig, tragfähig und erfreut sich steter und wachsender Nachfrage.
Internationalität
Der Studiengang findet komplett und durchgehend in englischer Sprache statt – ein großer Vorteil, um von früh an neben der Sprache auch die internationalen Fachtermini kennenzulernen und damit zu arbeiten. Dies ermöglicht den Studierenden, im internationalen Umfeld erfolgreich zu agieren und weit über den deutschen Tellerrand hinauszuschauen. So haben bereits mehrere Studierende ihre Abschlussarbeiten in anderen Ländern geschrieben, z. B. an der Universität Liverpool oder am Institut TRIUMF in Kanada; durch eine Individualförderung der OECD erhalten zwei Studierende die Möglichkeit, mehrere Monate an der Universität Tokyo und in Fukushima zu arbeiten.
Es ist aber noch viel mehr als die Sprache: der Studiengang ist attraktiv für viele internationale Studierende und ist dabei ein Erfolgsmodell gelebter Internationalität. Studierende aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen bereichern den Studiengang und das Studienklima. Und der Trend hält an: in den letzten Jahren ist die Anzahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger stetig gestiegen auf über 40 Erstsemester pro Jahr – davon ein Großteil internationaler Studierender.
Interdisziplinarität
Nukleare Anwendungen sind sehr breit – eine Erkenntnis, die die Studierenden schon sehr früh machen dürfen. Ob in den Bereichen der Energieerzeugung und dem zugehörigen Rückbau, Materialwissenschaften, medizinische Diagnose- und Therapieverfahren, in der Grundlagenforschung und vielem mehr: nukleare Technologien sind gefragt und werden entsprechend unter anderem auch im industriellen Umfeld eingesetzt und weiterentwickelt. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Fachkräften und dem Kompetenzerhalt.
Der Masterstudiengang eröffnet dabei den Studierenden seit Beginn an die Möglichkeit der Vertiefung in eines der drei großen folgenden Themengebiete: Nukleare Technologien, Nuklearchemie und Medizinphysik – ergänzt seit 2020 durch ein weiteres Vertiefungsfach, die Nukleare Entsorgung. Diese Vertiefungsrichtung konnte erfolgreich dank der tatkräftigen und finanziellen Unterstützung gemeinsam mit der Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH (BGZ) aufgebaut und weiterhin im Studiengang verankert werden.
Im ersten und zweiten Semester stehen Grundlagenfächer auf dem Stundenplan der Studierenden; von wirklichen Fundamentals of Nuclear Sciences, über Radiation Detection, Radiation Safety, Biomedical Applications und mehr bis hin zur Nuclear Chemistry und Nuclear Physics. Danach wählen die Studierenden Fächer aus den Vertiefungen und lernen beispielsweise Application of Accelerators, Dosimetry, Nuclear Fuels, Actinide Chemistry und Nuclear Waste Management/Technologies. Besondere Relevanz hat dabei auch die praktische Komponente: großzügige und sehr gut eingerichtete Labore mit entsprechenden Mitarbeitern ermöglichen den Studierenden, die Fähigkeiten in Praktika und Projekten auszubauen. Das Erlernen moderner Simulationstechniken befähigt die Studierenden, nukleare Abläufe zunächst skalierbar zu simulieren und damit auch detaillierter zu verstehen. Ergänzt wird dies durch Exkursionen, z. B. ins Zwischenlager nach Ahaus oder zur JEN in Jülich.
Die fachliche Breite des Studiengangs kann nur durch den Einsatz vieler externer Lehrbeauftragter aus Forschung und Industrie erhalten werden. Dankenswerterweise engagieren sich hier viele der Dozenten schon seit Beginn des Studiengangs und bringen somit ihre reichhaltige und praktische Erfahrung ein. Durchaus international renommierte Experten ermöglichen den Studierenden oft auch, ihre Projekt- und Masterarbeit in erstklassigen Umgebungen durchzuführen und damit an vorderster Front mitzuwirken.
Aktuelle Forschung
Die nuklearen Lehr- und Forschungsgebiete sind an der FH Aachen gut vertreten: drei Professoren (Prof. Elisabeth Paulßen – Nuklearchemie, Prof. Karl Ziemons – Medizinische Physik und Prof. Christoph Langer – Nukleare Technologien/Kernphysik) lehren bereits im Bachelor, als auch im Master in diesem Bereich. Zusätzlich arbeiten Mitarbeiter in gut ausgebauten Laboren an den Praktika und der Forschung.
Ein besonderes Merkmal des Campus in Jülich ist die Nähe zum Forschungszentrum Jülich. Von der Lehrveranstaltung zum FZ Jülich brauchen die Studierenden 20 Minuten mit dem Fahrrad (5 km) – keine Hochschule ist hier näher dran. Dort sind sie am Puls der Zeit und bekommen aktuellste internationale Forschung auf höchstem Niveau mit – und können sich auch einbringen und mitarbeiten. Die gut etablierten, jahrelangen Kooperationen mit den Professoren des Studiengangs tragen hier produktiv bei und eröffnen den Studierenden einmalige Möglichkeiten.
Neben dem FZ Jülich liegen aber auch industrielle Partner als auch modernste Krankenhäuser mit gut ausgestatten nuklearen Abteilungen örtlich nicht weit entfernt – ebenfalls eine große Chance, hier schon frühe Kontakte zu knüpfen und oftmals direkt nach dem Studium bereits direkt an einem Arbeitsplatz zu starten.
Auch vor Ort wird aktuelle Forschung durchgeführt und für Studierende besteht die Möglichkeit, sich daran zu beteiligen und teils als Doktorandinnen und Doktoranden an den Projekten weiterzuarbeiten.
Als Beispiel aus dem Bereich der Vertiefung in den nuklearen Technologien: im Rahmen einer größeren Förderung durch das BMBF (Projekt ATTAR) wurde ein neuer Detektor für das Großprojekt FAIR in Darmstadt entwickelt. Dieser Teilchendetektor für leichte Ionen basiert auf Szintillationsfasern, die damit eine hohe Ortssensitivität, als auch schnelle Auslese zulassen. Erfolgreich eingesetzt wird dieser Detektor nun in wissenschaftlichen Großexperimenten.
Ein weiteres Projekt aus diesem Bereich beschäftigt sich mit Ionendetektoren basierend auf Standard-Solarzellen für verschiedene mögliche Einsatzgebiete. Hierzu wurde im Rahmen einer Förderung eine Masterarbeit durchgeführt, die sich mit der Möglichkeit der Detektion im Allgemeinen bis hin zur Ortssensitivität mit Solarzellen beschäftigt und sehr gute Ergebnisse hervorgebracht hat.
Derzeit läuft zudem ein BMBF Verbundforschungsprojekt (99MoBest) gemeinsam mit der Universität zu Köln, der Universität Hannover und dem FZ Jülich, um die Möglichkeit zu erörtern, inwiefern Radiopharmaka, wie z. B. 99mTc, an Beschleunigern anstatt an Reaktoren in ausreichenden Mengen produziert werden kann. Unter den Doktoranden des Projekts sind auch zwei ehemalige Masterstudierende des Studiengangs. Sie beschäftigen sich dabei mit der Produktion von starken Neutronenfeldern durch protoneninduzierte Reaktionen, um dann über neutroneninduzierte Reaktionen die Radiopharmaka herzustellen. Das bis 2026 laufende Projekt zeigt bisher schon vielversprechende Ergebnisse.
Des Weiteren gibt es eine seit vielen Jahren etablierte und sehr erfolgreiche Kollaboration mit der Crystal Clear Collaboration (CCC) am CERN. Hierbei geht es um die Entwicklung von neuartigen Szintillationsdetektoren, u. a. für die medizinische Bildgebung. Im Rahmen dieser Kollaboration wurden sog. ClearPET Scanner entwickelt, mit welchem hochauflösende, hochsensitive Aufnahmen erzeugt werden können. Einer dieser ClearPET Scanner befindet sich auch in Jülich. Auch hier können sich die Studierenden schon früh einbringen und selbständig Messungen in den Laboren durchführen.
Weitere Forschungsarbeiten finden sich auch in der Nuklearchemie und im Bereich der nuklearen Entsorgung. Bis vor wenigen Jahren wurden erfolgreich im Rahmen der „Kursstätte für Strahlenschutz“ auch behördlich zertifizierte Strahlenschutzkurse in breit-gefächerten Anforderungsstufen angeboten.
Zukünftige Entwicklungen
Die Ausbildung und der Kompetenzerhalt im Bereich der nuklearen Technologien ist gesamtgesellschaftlich eine dringende und substantielle Aufgabe – hieran beteiligt sich die FH Aachen durch diesen Studiengang, der auch für die Bachelorstudierenden der eigenen Hochschule in den Bereichen Physikingenieurwesen, Angewandte Chemie und Biomedizinische Technik (alles am Campus Jülich) eine interessante und ernstzunehmende Anschlussoption darstellt.
Erfolgreich konnten neuartige Trends in den Studiengang integriert werden. So erlernen alle Studierenden die Grundlagen von modernen Reaktorkonzepten, wie SMR, und erhalten auch eine Einführung in die derzeit rasante Entwicklung von Fusionstechnologien und damit verbundener möglicher Energieerzeugung.
Auch die Verbindungen zu diversen Firmen im Rückbau und anderen nuklearen Technologien konnten ausgebaut und vertieft werden. Gerne werden neue Kooperationen geschlossen und Austausch ermöglicht.
Insgesamt erfreut sich der Studiengang „Master of Nuclear Applications“ großer Beliebtheit und wird durch die Studierenden, ob national oder international, sehr gut angenommen. Für weitere und vertiefte Informationen steht die Studiengangsleitung jederzeit zur Verfügung und freut sich über eine Kontaktaufnahme. Man findet den Studiengang und entsprechende Kontakte unter: https://www.fh-aachen.de/studium/studiengaenge/nuclear-applications-msc.
FH Aachen – University of Applied Sciences
Campus Jülich
Heinrich-Mußmann-Straße 1
52428 Jülich
www.fh-aachen.de
T: +49 241 6009 53149
E-Mail: nuclear@fh-aachen.de
Westfälische Hochschule Gelsenkirchen – Weiterbildungsangebot Sicherheit in der kerntechnischen Entsorgung
Mit rund 7.200 Studierenden bietet die Westfälische Hochschule an ihren Standorten Gelsenkirchen, Recklinghausen und Bocholt eine Vielzahl von Bachelor- und Masterstudiengängen insbesondere in den Bereichen Natur- und Ingenieurwissenschaften, Informatik, Wirtschaft und Kommunikation an. Ein besonderes Merkmal der Hochschule ist die anwendungsorientierte Lehre und Forschung, die zu einer engen Zusammenarbeit mit der Wirtschaft führt. Diese Kooperationen ermöglichen den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Die Studierenden erhalten durch praxisnahe Aufgabenstellungen wertvolle Einblicke in die Berufswelt. Der starke Praxisbezug in Lehre und Forschung stellt sicher, dass die Absolventinnen und Absolventen optimal auf den Arbeitsmarkt vorbereitet sind.
Der Fachbereich Maschinenbau, Umwelt- und Gebäudetechnik konzentriert sich auf innovative Lösungen in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Umwelttechnik. Er leistet einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung von Fachkräften, die den wachsenden Anforderungen der Umwelt- und Energiewirtschaft gerecht werden. In diesem Zusammenhang baut die Westfälische Hochschule auch den Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung kontinuierlich aus.
Innovatives Weiterbildungsangebot für die Sicherheit in der kerntechnischen Entsorgung
Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Industrie und Behörden haben Prof. Dr. Gutberlet vom Fachbereich Maschinenbau, Umwelt- und Gebäudetechnik und die Verantwortlichen für die wissenschaftliche Weiterbildung ein Konzept entwickelt, um die Kompetenz für die sichere Entsorgung radioaktiver Reststoffe langfristig zu erhalten. Denn neben den allgemeinen wirtschaftlichen Herausforderungen – demografischer Wandel, Fachkräftemangel, sinkende Absolventenzahlen in technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen – steht diese Branche vor dem besonderen Problem eines Nachwuchsmangels, der durch den beschlossenen Atomausstieg verstärkt wird. Die enge Zusammenarbeit mit der Industrie und den Behörden stellt sicher, dass die entsprechenden Anforderungen und Inhalte in die Lehre einfließen und eine praxisnahe und qualitativ hochwertige Ausbildung der Fachkräfte von morgen gewährleistet ist.
Masterstudiengang: Sicherheit in der kerntechnischen Entsorgung
Der Masterstudiengang „Sicherheit in der kerntechnischen Entsorgung“ ist der erste seiner Art in Deutschland, der sich umfassend mit der gesamten Entsorgungslogistikkette in der Kerntechnik befasst – von der Stilllegung und dem Rückbau kerntechnischer Anlagen über die Freigabe von Reststoffen, die Behälterentwicklung, Abfallbehandlung und -konditionierung sowie den Transport bis zur Abgabe endlagerfähiger Gebinde an ein Endlager. Ergänzt werden die technischen Inhalte durch Kompetenzen in atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, Produktkontrolle und Abfallgebindedokumentation sowie im Umgang mit Veränderungsprozessen und der Kommunikation mit der Öffentlichkeit (vgl. Abbildung: Studienverlaufsplan). Hinzu kommen ausgewählte Wahlpflichtmodule (WPM), zur berufsspezifischen Vertiefung individueller Interessen.
Der Studiengang richtet sich an Absolventinnen und Absolventen eines naturwissenschaftlichen oder technischen Bachelorstudiums mit mindestens 15 CP in Mathematik oder Physik und mindestens einem Jahr Berufserfahrung in ingenieurwissenschaftlichen oder vergleichbaren Tätigkeiten. Der Studiengang ist berufsbegleitend konzipiert, um eine optimale Vereinbarkeit von Beruf und Weiterbildung zu gewährleisten, und umfasst 5 Semester. Die Module werden in Blockveranstaltungen angeboten, wobei ein Block in der Regel aus vier Tagen Präsenzunterricht an der Hochschule und einem weiteren Block aus drei Tagen E-Learning oder Praktika besteht. Auch Praktika und Prüfungsphasen sind auf die Bedürfnisse berufstätiger Studierender abgestimmt. Der weiterbildende Studiengang „Sicherheit in der nuklearen Entsorgung“ wird erstmals zum Sommersemester 2026 angeboten.
Certificate of Advanced Studies (CAS)
Ergänzend zum weiterbildenden Masterstudiengang bietet die Westfälische Hochschule CAS-Zertifikate an, die für berufserfahrene Fachkräfte aus technischen oder gewerblichen Berufen (auch außerhalb der Kerntechnik) konzipiert sind, die sich gezielt mit ausgewählten Themen der nuklearen Entsorgung auseinandersetzen möchten und über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Folgende Zertifikate werden ab dem Sommersemester 2025 angeboten:
- CAS 1: Radioaktivität & Strahlenschutz
- CAS 2: Umgang mit radioaktiven Reststoffen
- CAS 3: Rechtliche Grundlagen & Lagerkonzepte für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle
- CAS 4: Behälter für radioaktive Abfälle & Produktkontrolle
- CAS 5: Stilllegung & Rückbau kerntechnischer Anlagen
Jedes Zertifikat umfasst zwei Module des Masterstudiengangs und bietet eine flexible Weiterbildungsmöglichkeit, ohne ein komplettes Masterstudium absolvieren zu müssen. Die Zertifikate tragen zur Schließung von Fachkräftelücken in der Branche bei und eröffnen zukunftssichere Berufsperspektiven in der kerntechnischen Industrie und den relevanten Behörden.
Bei der Umsetzung des Weiterbildungsangebots arbeitet die Westfälische Hochschule eng mit den Akteuren der Branche zusammen. Diese Kooperation gewährleistet, dass sich die Inhalte des Studiengangs an den aktuellen Anforderungen der Branche orientieren. Durch die Unterstützung erfahrener Dozentinnen und Dozenten aus der Industrie und den beteiligten Behörden wird eine praxisnahe und qualitativ hochwertige Ausbildung gewährleistet. Die Abteilung Weiterbildung sorgt dafür, dass die Programme optimal auf die Bedürfnisse der Studierenden ausgerichtet sind und unterstützt bei der Organisation der berufsbegleitenden Studienformate.
Westfälische Hochschule
Neidenburger Straße 43
45897 Gelsenkirchen
Prof. Dr. Daniela Gutberlet
daniela.gutberlet@w-hs.de