Wirtschaftlichkeit
Stromerzeugung mit Kernenergie ist wirtschaftlich vorteilhaft. Dies gilt trotz der hohen erforderlichen Investition in neue Kernkraftwerke, die – stark abhängig von Finanzierungsbedingungen und -kosten – zu anlagenbezogenen Stromgestehungskosten (sog. LCEO, Levelized Cost of Electricity) führen, die zwar wettbewerbsfähig mit oder günstiger als die entsprechenden Vollkosten fossil befeuerter Kraftwerke sind, aber teurer als die im Lauf der Zeit kostengünstiger gewordenen Erzeugungskosten von Windkraft- und Photovoltaikanlagen.
Allerdings ist eine ausschließlich anlagen- und projektbezogene Betrachtung unvollständig, vor allem im Vergleich zwischen regelbaren Stromerzeugern wie Kernkraftwerken, Gas- und Kohlekraftwerken einerseits sowie dargebotsabhängigen volatilen Erzeugern wie Windkraft- und Photovoltaikanlagen andererseits. Diese führen nämlich aufgrund ihrer technischen Eigenart zu zusätzlichen Systemkosten, die bei einzelnen Anlagen nicht betrachtet werden auf Systemebene, d.h. bei der Gemeinschaft der Stromkunden aber gleichwohl anfallen und von letzteren zu tragen sind.
Diese Kosten können in Kosten des Erzeugungsprofils, Anschlusskosten an das Stromnetz, zusätzliche Netzregelkosten und Netzausbaukosten aufgeteilt werden. Die Kosten des Erzeugungsprofils schließen die Backupkosten ein und bilden die Eigenart der Stromerzeugung mit Wind und Sonne ab, das die Anlagen häufig in großer Zahl und in einem größeren geographischen Gebiet zeitgleich sehr viel – zu viel – oder sehr wenig – zu wenig – Strom erzeugen und damit entweder ihre eigene Rentabilität und die aller anderen Erzeugungsanlagen deutlich herabsetzen bzw. bei einem hohen Ausbauniveau auch in signifikantem Umfang abgeschaltet werden müssen, oder wegen Strommangels zu hohen Preisspitzen führen.
Diese von variablen oder volatilen erneuerbaren Energien induzierten Systemkosten haben die Eigenschaft mit zunehmender Durchdringung des Erzeugungsmarktes durch diese Erzeugungsanlagen anzuwachsen. Die Systemkosten verhalten sich also umgekehrt zu den anlagenbezogenen Kosten, die mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien zumindest bis vor kurzem durch industrielle Skaleneffekte viele Jahre lang gesunken sind. Bei den Gesamtkosten der Stromerzeugung steigen bei hohen Anteilen variabler erneuerbarer Energien auch die anlagenbezogenen Kosten, da zur Abdeckung eines immer höheren Anteils der Stromerzeugung immer größere „Überkapazitäten“ aufgebaut werden müssen, um im Jahresdurchschnitt die geforderten Strommengen zu erzeugen. Dies hängt mit der niedrigen Ausnutzung der Anlagen zusammen (siehe Menüpunkt Versorgungssicherheit). Auch die Anschlusskosten und der Netzausbau sind an diese sehr hohen installierten Leistungen anzupassen mit entsprechenden Systemkostenwirkungen.
Für die Niederlande wurden mit entsprechenden Ansätzen die Kosten unterschiedlicher Erzeugungsarten einschließlich der zuzuordnenden zusätzlichen Systemkosten vom Beratungsunternehmen ENCO im Auftrag der niederländischen Regierung modelliert. Diese Erkenntnisse trugen im Rahmen der dortigen Diskussion dazu bei, bei der anstehenden Dekarbonisierung der Stromerzeugung nicht nur auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu setzen, sondern auch die Kernenergie auszubauen.
Einen anderen Ansatz zur Veranschaulichung der Problematik der anlagenbezogenen versus der systembezogenen Betrachtung wählt das neu vorgeschlagene Modell der Levelized Full System Cost of Electricity (LFSCOE). Dabei werden die Kosten unter der Annahme analysiert, dass die einzelnen Erzeugungsarten 100 Prozent bzw. abgemildert 95 Prozent der Stromerzeugung zu bestreiten haben, d.h. die Anlagen ggf. im Zusammenwirken mit Speichern die Lastdeckung und die Systemstabilität gewährleisten müssen. In der Abbildung unten sind die Ergebnisse dieser Herangehensweise für die Stromnetze Deutschlands und des US Bundesstaates Texas angegeben, in dem ebenfalls viel Windkraft und Photovoltaik installiert sind.
Eine ganz andere Betrachtungsweise von Stromerzeugungsarten bietet wiederum der so genannte EROI-Wert, der auch für den Aspekt des spezifischen, also auf die generierten Energieeinheiten bezogenen Ressourcenverbrauchs (siehe Menüpunkt Ressourcenschonung) eine Rolle spielt. Dabei geht es um das Verhältnis der Energie, die in einen Energieerzeuger investiert werden muss zum Ertrag an Nutzenergie die aus diesem über die Lebenszeit gezogen werden kann. Wie beim Ressourcenbedarf, der Bevorratungsmöglichkeit von Brennstoff und dem sehr niedrigen Treibhausgasausstoß kommt hier die sehr hohe Energiedichte des Uran im Vergleich zu fossilen Energieträgern und erst Recht im Vergleich zur Nutzung von wenig energiehaltigen Umgebungsenergien der Kernenergie zu gute.