Klimafreundlichkeit
Die Kernkraft gehört zu den klimafreundlichsten Stromerzeugungsarten und ist diesbezüglich vergleichbar mit oder besser als Windkraft und Wasserkraft. So haben die deutschen Kernkraftwerke mit ihrer Gesamterzeugung von 5.600 Terawattstunden Strom (5.600 Milliarden kWh) die Emission von rund 5,6 Milliarden Tonnen CO2 vermieden, entsprechend den aktuellen Treibhausgasemissionen aller Sektoren (Energiewirtschaft, Verkehr, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft) von siebeneinhalb Jahren.
Dementsprechend ist die Kernenergie in vielen Ländern wichtiger Bestandteil der Klimapolitik um die Ziele der Reduktion des Treibhausgasausstoßes zu erreichen. Hier spielt auch der große Beitrag von Kernkraftwerken zur Versorgungssicherheit und ihre einfache und problemlose Integration in das Stromerzeugungssystem etwa an Stelle von emissionsintensiven Kohlekraftwerken eine Rolle. Diese Eigenschaften haben auch positive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Strombereitstellung in ihrer Gesamtheit und Erleichtern die Transformation zu einer emissionsarmen Stromversorgung.
Eine neue Entwicklung ist die Nutzung der Abwärme von Kernkraftwerken für Verfahren zur Direktentnahme von CO2 aus der Atmosphäre (Direct Air Capture). Derzeit wird im Zusammenhang mit dem kurz vor Baubeginn stehenden Kernkraftwerk Sizewell C im Vereinigten Königreich eine Pilotanlage zur DAC projektiert. Falls das Konzept der Pilotanlage sich bewährt, könnte eine Anlage im industriellen Maßstab aufgebaut werden, die jährlich 1,5 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entnimmt, das entweder dauerhaft unterirdisch gelagert werden könnte – etwa in erschöpften Erdgasfeldern – oder zur Herstellung von synthetischem Methangas oder von Synfuel für Flugzeuge, Schiffe, große Maschinen, LKW oder PKW verwendet werden könnte. Ein Kernkraftwerk mit einer DAC-Anlage, die die Abwärme nutzt, wäre eine CO2-Senke. Die Technik ließe sich grundsätzlich auf jedes Kernkraftwerk mit Leichtwasserreaktor anwenden, einschließlich der Bestandsanlagen. DAC stellt damit neben der Meerwasserentsalzung die zweite gut skalierbare Anwendung für die Abwärme von Leichtwasserreaktoren dar, die durch ein recht niedriges Temperaturniveau gekennzeichnet ist. In den meisten Anwendungsfällen der Meerwasserentsalzung mit Kernenergie dient diese aber ausschließlich oder überwiegend dem Eigenbedarf der Kraftwerke.
Die Kernkraft ist für die so genannte tiefe Dekarbonisierung der Stromerzeugung, also für das Erreichen einer durchschnittlichen CO2-Intensität deutlich unter 100 Gramm pro Kilowattstunde für das gesamte Stromerzeugungssystem am besten geeignet. In der obigen Abbildung ist das Ergebnis einer kostenoptimierenden Analyse für die gesamte Stromerzeugung in Abhängigkeit von einem Zielwert der CO2-Intensität dargestellt. Das Beispiel wurde für das Stromnetz ISO-New England gerechnet, ist aber auf vergleichbare Klimaregionen ohne großes Wasserkraftpotential übertrgbar. Das abgebildete Szenario ist RN&S&LWR (Gaskraft, Fotovoltaik, Windkraft, Pump- und Batteriespeicher, Kernkraft).
Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet der Bericht Futures énergétiques 2050 (2021) des französischen Stromnetzbetreibers RTE den Sachverhalt: Dort geht es um die Betrachtung des Szenarios eines Ausstiegs aus der Kernenergie in Frankreich bis 2035. Hinsichtlich der CO2-Intensität ist das Ergebnis, dass die CO2-Emissionen auch bei starkem Ausbau der erneuerbaren Energien um 56 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr anwachsen. Das entspräche einem Anstieg der CO2-Intensität um rund 100 g/kWh von ca. 50 g/kWh auf 150 g/kWh.
Auch im deutschen Fall gibt es Indizien aus der Praxis, dass eine tiefe Dekarbonisierung der Stromerzeugung nur mit erneuerbaren Energien nicht realisiert werden kann. So pendelt auch bei einem sehr hohen Anteil der erneuerbaren Energien an der Tagsstromerzeugung von um die 80 Prozent, wie dieser im Sommer öfter zu beobachten ist, und trotz Stromimporten die CO2-Intensität zwischen 200 und 300 g/kWh.
ie